Samuel Koch - Zwei Leben
Szenen blieben drin.
Ja, ich habe mich dann wieder eingekriegt und mag den Mann immer noch gern. Aber es macht mich doch nachdenklich, dass ich anscheinend nicht gehört werde, wenn ich nicht auf den Tisch haue und mich massiv durchsetze. Dabei ist das gar nicht meine Art. Aber vielleicht steckt eine Lernaufgabe für mich drin: Freundlich, aber unnachgiebig sagen, was ich will.
Wenn es schon mir so geht, der ich durch die Ãffentlichkeit meines Unfalls ja doch recht viel Aufmerksamkeit bekomme, wie muss es erst für diejenigen sein, die in einer ähnlichen Lage sind wie ich und denen noch weitaus weniger zugehört wird?
Ãbrigens: Als der Sender RTL später Material aus diesem Film verwenden wollte, ging die Redaktion jede einzelne Szene akribisch mit mir durch. Ich sagte, welche ich auf keinen Fall mehr gesendet sehen wollte, und RTL hat sich ohne Zickereien und Tricks daran gehalten. Danke!
Im GroÃen und Ganzen kann ich mich nicht beklagen. In der Berichterstattung der Medien komme ich ganz gut weg. Manchmal scheint man mich sogar durch eine Art rosarote Brille zu betrachten.
Ich bin nicht der Einzige
Mein erstes TV-Interview mit Peter Hahne schlug hohe Wellen. Die BILD stieg ein und fragte nach, ob sie mich für die Seite 1 interviewen dürften. Unter einer Bedingung sagte ich zu: Ich hatte wenig Lust darauf, oben meinen Namen zu lesen â und knapp darunter ein Bild von einer hübschen, aber dürftig bekleideten Frau zu erblicken, die unter anderem erzählt, wie ihre sexuellen Vorlieben aussehen. Ich würde also nur mit der BILD arbeiten, wenn die Nackte auf Seite 1 wegfiel.
Zu meiner Ãberraschung hat die Redaktion sich darauf eingelassen und sich auch daran gehalten. Richtig erstaunt war ich, als ich erfuhr, dass ich damit in der publizistischen Wertschätzung sozusagen in einer Reihe mit dem Papst oder Angela Merkel stand, die bisher die Einzigen waren, bei denen bei einer Seite-1-Geschichte auf die nackten Tatsachen verzichtet wurde.
Natürlich haben Reporter das Problem, dass sie ihre Geschichten verkaufen müssen â und das geht nur über Aufmerksamkeit. Und die erregt man unter anderem durch Verkürzung.
So kam es dann wohl, dass von einem mehr als einstündigen, relativ tief gehenden Gespräch mit einem Reporter über Fukushima, Atomkraft und Co. nur die Schlagzeile übrig blieb: âSamuel Koch: Ich will wieder laufen können!â Kurios ist, dass mich der Reporter nach diesem Wunsch nur in einem Nebensatz gefragt hatte.
Anfänglich fand ich solche Sachen sehr schade und habe mich sogar darüber aufgeregt, aber mittlerweile habe ich Verständnis dafür und sehe das eher gelassen.
Um auch positive Beispiele zu nennen: Die Reporter von BILD und Bild am Sonntag haben sich genauso wie die vom Stern und einige andere sehr genau an die Abmachungen gehalten, die auf meine Bitte hin getroffen wurden. Viele Journalisten waren diskret, einfühlsam und sehr entgegenkommend.
Wahrscheinlich wird jeder verstehen, wenn ich sage: Ich würde einiges darum geben, nicht im Rampenlicht zu stehen. Ich werde noch eine ganze Weile, aber hoffentlich nicht für immer âder Hallodri, der bei ,Wetten, dass..?â verunglückt istâ sein. Nur möchte ich nicht nur darauf reduziert werden.
11. âWie hält man das aus?â
âWie hält man das aus?â Diese Frage prägt nach meinem Unfall fast jedes Gespräch: âSamuel, wie hält man das aus, von hundert auf null ausgebremst zu werden? Radikal alles zu verlieren, was dein Leben bisher ausgemacht hat? Wie hält man das aus, seinen Körper, für den man früher jeden Tag neu dankbar war, plötzlich gar nicht mehr zu regieren? Wie hält man das aus, wenn man nicht mehr gehen, nicht mehr stehen, nicht mehr alleine leben kann?â
Tja, wie hält man das aus? Eingesperrt in einen Körper, den ich nicht mehr fühle und in dem ich mich seit dem Unfall keinen Augenblick wohlgefühlt habe. Terrorisiert von Nackenschmerzen, die mir den Kopf zu sprengen scheinen. Ohnmächtig vor dem Verlust meiner Bewegungsfähigkeit, die so wichtig für mich war.
âIch halte es gar nicht aus!â, möchte ich manchmal herausschreien. â Ich will wieder gehen können! Ich will wieder turnen können, Sand unter meinen FüÃen spüren, jemanden umarmen, einen Spaziergang machen, mich ins Gras legen und die Hände hinter dem Kopf
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