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Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fasel
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Mutter. „Ganz einfach schon deshalb, weil es seinem eigenen Wunsch entspricht: Er selbst würde natürlich auch am liebsten deutliche Fortschritte sehen. Und auch er möchte möglichst wenig Maschine um sich herum, dafür viel Manuelles!“
    Doch so ist es nun mal nicht. Ich habe keine tollen Fortschritte vorzuweisen. Vielleicht ist es wirklich so, wie ein Freund mir neulich sehr dick aufgetragen sagte: „Samuel, du bist im Augenblick zum Hoffnungsträger der Nation verdammt. Wahrscheinlich will niemand sehen, dass es dir auch mal richtig Scheiße geht. Aber da musst du jetzt durch!“
    Mir liegt auch gar nichts daran, in der Öffentlichkeit rumzujammern, wie schlecht es mir geht. Selbstmitleid macht mir nur selten Spaß. Unehrlichkeit aber auch.
Die Schwierigkeit, sich Gehör zu verschaffen
    Immer wieder merke ich, dass ich meine Anliegen und Wünsche sehr massiv vorbringen muss, damit sie nicht einfach untergehen. Ich bin nicht sicher, ob mir solche Dinge früher nur nicht so aufgefallen sind, weil ich das meiste selbst machen konnte, oder ob ich jetzt tatsächlich weniger gehört werde. Aber es ist definitiv so, dass meine Äußerungen anscheinend oft nur als eine Art Vorschlag ankommen, den man nach Gutdünken beachten oder unter den Tisch fallen lassen kann.
    Mir wäre es lieber, die Leute würden in solchen Augenblicken mit mir sprechen. Doch anscheinend werde ich im Sitzen nicht mehr so ganz für voll genommen. Wenn man im Rollstuhl sitzt, wird häufig über einen hinweggesprochen. Auch die Ärzte sprachen bei der Visite in meinem Beisein oft mit meinen Eltern über mich statt mit mir. Irgendwann gingen meine Eltern dazu über, sich in solchen Momenten demonstrativ abzuwenden, damit man mit mir direkt redete.
    Dieses Phänomen ist mir seitdem oft begegnet. Selbst die Leute in meiner Umgebung, die ja alles für mich machen müssen, gehen nach einer Weile scheinbar automatisch dazu über, auch für mich zu entscheiden.
    So eine Situation fiel auch einem Journalisten der Nachrichtenagentur dpa auf, der in einem Bericht über „Menschen 2011“ schrieb: „Als sich alle Teilnehmer der ZDF-Sendung zum Schluss zu einem gemeinsamen Foto versammeln sollen, steht Samuel Koch im Flur, eine blonde junge Frau steht hinter seinem Rollstuhl. Ein Mitarbeiter ruft ihr über Samuels Kopf hinweg zu: ,Wir brauchen den Samuel noch mal.‘ Samuel selbst spricht er gar nicht erst an.“
    Ein anderes Beispiel: Für die Schweizer „Gesundheitssprechstunde“ sagte ich meine Mitwirkung zu, als es darum ging, ein Porträt der Klinik in Nottwil zu drehen. Die Voraussetzungen waren zwischen dem Team, der Klinik und mir glasklar geregelt: Ich sollte bestimmen dürfen, welche Szenen letztlich in den Film hineinkommen würden und welche nicht. Die Abstimmung sollte stets über mich laufen.
    Ich lag während der Pflege halbnackt im Bett, da wurde ohne Absprache, geschweige denn mit meiner Erlaubnis, durchs Fenster herein gefilmt. Die Ärzte, die das mitbekamen, sagten: „Das geht gar nicht!“
    Es ist klar, dass ich in einem Film, der die Möglichkeiten der Klinik und meinen Therapiealltag beleuchten soll, nicht nur den Strahlemann mime, aber das war mir dann doch ein etwas zu tiefer Einblick!
    Auch eine andere Szene, die mich bei der Wassertherapie zeigte, wurde gegen meinen ausdrücklichen Willen mit verarbeitet, obwohl es eine ganze Reihe weiterer Aufnahmen von dieser Therapie gab, die genauso aussagekräftig waren, aber mein persönliches Empfinden weniger gestört hätten.
    Mein Vater und ich haben die Ausstrahlung zusammen angeguckt. Wir waren total entsetzt und dachten erst, das wäre ein Rohschnitt, der versehentlich über den Sender gelaufen war.
    Der Schweizer Regisseur, der die beschriebene Szene durchs Fenster mit aufgenommen hatte, wusste als Erklärung zu liefern: „Ich fand das so schön, wie der Zug im Spiegelbild des Fensters draußen vorbeifährt!“
    Ich sagte ihm, dass ich eigentlich nicht möchte, dass diese Szene im Film zu sehen ist. Interessant war die Frage, die er mir daraufhin stellte: „Was würdest du tun, wenn ich sie trotzdem drinlassen würde?“
    Meine Antwort lautete ungefähr: „Na ja, ich wäre schon sauer. Aber irgendwann würde ich mich auch wieder einkriegen.“
    Das genügte anscheinend als Einverständnis, denn die

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