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Samuel Koch - Zwei Leben

Samuel Koch - Zwei Leben

Titel: Samuel Koch - Zwei Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Fasel
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Luzern, sahen uns irgendeine amerikanische Schmonzette an, etwas Leichtes zum Ausspannen.
    â€žEs klingt vielleicht komisch, aber ich finde es ganz besonders schön, wenn Samuel laut lacht“, erinnert sich meine Schwester. „Wenn ich im Kino sitze und ihn neben mir lachen höre, dann ist das einfach ein tolles Gefühl!“
    Mir macht Lachen auch deutlich mehr Spaß als Weinen. Genügend Gelegenheiten zum Lachen gibt es erfreulicherweise immer wieder, wenn man dafür offen ist.
    Als Jonathan einmal mit drei Freunden zum Schwimmen gehen wollte, fragte ich kurzerhand, ob ich nicht mitkönne. „Ihr könnt mich ja als Wasserball benutzen!“, schlug ich ihm vor. „Oder nach mir tauchen.“
    Manchmal hilft es, ein bisschen rumzualbern, um über eine gewisse anfängliche Verlegenheit wegzukommen. Solche Momente gibt es auch bei manchen alten Freunden; ich fühle bei den ersten Begegnungen nach dem Unfall ihre Berührungsängste und ihreUnsicherheit, wie sie sich verhalten sollen. Aber das legt sich meist schnell, wenn meine Besucher merken, dass ich immer noch ich bin. Andere, wie zum Beispiel Chris, sind von Anfang an sehr selbstverständlich mit mir umgegangen und haben mich nicht ständig in einer Opferrolle gesehen.

Chris:
Sam und ich können heute wieder mehr Sachen zusammen machen, die wir früher auch gemacht haben, zum Beispiel ein Besuch im Kino oder in einer Cocktailbar. Das schafft eine gewisse Leichtigkeit und gibt mehr Gelegenheit, herumzualbern – obwohl, um ehrlich zu sein, haben wir nie damit aufgehört. In seiner Persönlichkeit ist Sam noch derselbe wie früher, vor allem seinen besonderen Humor und seine Experimentierfreudigkeit hat er nicht verloren. Er hat noch genauso viel Spaß daran, Neues auszuprobieren, zum Beispiel, indem er die Fähigkeiten seines Rollstuhls neu definiert.
Was deutlich anders ist als früher, ist der immer wieder aufkommende Drang zur Pünktlichkeit. Neulich hat er doch tatsächlich gesagt: „Hey, Chris, wir müssen los, ich glaub, wir kommen zu spät!“ So ein Satz wäre früher nie über seine Lippen gekommen. Entsprechend verblüfft war ich und auch er, als er realisierte, was er gerade gesagt hatte. Logischerweise konnte sich daraufhin keiner der 80 Muskeln beherrschen, die man zum Lachen so braucht, und ich ging zu Boden. Aber in den allermeisten Punkten ist er noch ganz der Alte.

    Ich wünschte mir, dass alle Menschen so offen und ehrlich wären wie meine Freunde, Eltern und Geschwister. Doch das ist nicht bei allen der Fall.
    Es gab einige Leute, die plötzlich behaupteten, meine „besten Freunde“ zu sein und die dann ihre Geschichte für viel Geld an die Presse verkauften. Die meisten meiner Freunde verhalten sich mir gegenüber so wie vorher, aber es gab auch verkrampfte Reaktionen und aufgesetztes Lächeln.
    Vielleicht ist der Schock für andere noch größer als für mich. Ich sehe mich ja nicht! Und ich fühle meinen Körper, abgesehen von den Schmerzen, so gut wie gar nicht. An meinem Bett standen in den letzten Monaten hartgesottene Typen aus der Bundeswehrzeit oder Turner, die eigentlich nicht so leicht zu erschüttern sind. Ihnen war deutlich anzumerken, wie schwer es ihnen fiel, mich so zu sehen. Viele, von denen ich das gar nicht gedacht hätte, hatten Tränen in den Augen. Der Kontrast zwischen dem Samuel von früher und dem von heute ist zu krass. Vielleicht haben sie sich auch ein bisschen gegruselt, weil sie sich vorgestellt haben, sie wären selbst in so einer Situation. Vom Sportler zum Pflegefall – das macht nachdenklich.
    Mitgefühl und Trauer sind wichtig und notwendig, doch was ich im Moment brauche ist Zupacken, Unterstützung, Aktivität, Herausforderung. Und von den meisten meiner Freunde bekomme ich genau das, ohne groß herumerklären zu müssen. Manchmal brauche ich auch einen Tritt, um mich dazu zu überwinden, rauszugehen und mich potenziell unangenehmen Situationen zu stellen. Meine Freunde haben von mir deshalb die Lizenz zum Arschtritt und nutzen sie auch. Das ist nicht immer einfach, aber im Resultat gut.
    Ab und zu gibt es Momente, die sich anfühlen, als wäre alles normal. „Als wir neulich eine Nacht lang ‚Tabu‘ gespielt haben, war das so witzig, ein richtig schöner Abend voller Gelächter und Spaß“, erinnert sich Rebecca. „Wir haben

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