Samurai 1: Der Weg des Kämpfers (German Edition)
erneut einen kühlen Lappen auf die Stirn und half ihm, sich wieder hinzulegen.
»Was? Ich … ich … ich verstehe dich nicht«, stotterte Jack. »Wer bist du? Wo ist mein Vater …?«
Das Gelächter war noch nicht verklungen.
Als Jacks Vater bewusst wurde, dass der Schatten Jack töten wollte, verlieh die Angst ihm ungeahnte Kräfte.
Er warf den Kopf zurück, schlug ihn dem Mann, der ihn festhielt, ins Gesicht und brach ihm die Nase. Die Schlinge um seinen Hals lockerte sich und fiel von ihm ab. Jacks Vater stürzte zu seinem Messer, das auf dem Boden lag, packte es und stieß es dem grünäugigen Schatten in einem letzten verzweifelten Versuch, seinen Sohn zu retten, mit aller Kraft ins Bein.
Der Schatten schrie auf und ließ Jack los. Jack sackte halb bewusstlos zusammen. Der Schatten fuhr mit gezücktem Schwert zu seinem Vater herum und griff ihn an.
Mit dem Schlachtruf » KIAI « stieß er John Fletcher die Klinge tief in die Brust.
7
Samurai
Der kleine, schmucklose Raum war makellos sauber, der Boden in einem geometrischen Muster mit weichen Strohmatten ausgelegt. Die Wände waren Rechtecke aus durchscheinendem Papier, welches das Tageslicht dämpfte und ihm einen überirdischen Schein verlieh.
Jack lag auf einem dicken Futon, zugedeckt mit einer Decke aus Seide. Er hatte noch nie unter einer seidenen Bettdecke geschlafen. Sie fühlte sich auf der Haut wie tausend Schmetterlingsflügel an.
Jack richtete sich auf, doch nach der langen Zeit auf See wurde ihm von dem bewegungslosen Boden schwindlig und übel. Als er sich mit der linken Hand abstützen wollte, schossen ihm heftige Schmerzen durch den Arm.
Er betrachtete ihn und stellte fest, dass er geschwollen, verfärbt und offenbar gebrochen war. Jemand hatte die Knochen gerichtet und mit einer hölzernen Schiene fixiert. Angestrengt versuchte Jack sich zu erinnern, was passiert war. Sein Fieber war gesunken und die zusammenhanglosen Bilder, die ihm durch den Kopf gegangen waren, nahmen Kontur an und verdichteten sich zu einer quälenden Wirklichkeit: Christiaan, der in der Kajüte gestorben war, die nächtlichen Schatten, die niedergemetzelte Besatzung der Alexandria , sein Vater, der mit der Schlinge um den Hals gekämpft hatte, und der schattenhafte Krieger, der John das Schwert in die Brust gestoßen hatte …
Anschließend hatte Jack eine Ewigkeit auf dem blutbesudelten Deck gelegen. Die Schatten hatten ihn für tot gehalten und das Achterdeck verlassen, um das Schiff zu plündern. Dann hatte er plötzlich wie aus großer Entfernung die Stimme seines Vaters gehört.
»Jack …«, rief sein Vater kraftlos, »Jack … mein Sohn.«
Jack riss sich aus seiner Lähmung und kroch zu seinem sterbenden Vater.
»Jack … du lebst«, sagte sein Vater und auf seinen blutigen Lippen erschien ein flüchtiges Lächeln. »Der Portolan … hole ihn … er bringt … bringt dich nach Hause …«
Sein Blick wurde glasig und er tat den letzten Atemzug.
Jack vergrub den Kopf an seiner Brust und unterdrückte ein Schluchzen. Er klammerte sich an seinen Vater wie ein ertrinkender Matrose an eine Rettungsleine.
Als er sich wieder ein wenig gefasst hatte, wurde ihm erst die ganze Tragweite seiner Situation bewusst. Er war in einem fremden Land gestrandet und ganz auf sich allein gestellt. Nur mithilfe des Buches konnte er hoffen, die Heimat je wiederzusehen.
Er eilte zum unteren Deck hinunter. Die Piraten waren damit beschäftigt, Waffen, Gold und Sappanholz in ihr Schiff zu laden und bemerkten ihn nicht. Der Weg zur Kajüte seines Vaters war mit Leichen übersät, in der Kajüte lag der inzwischen tote Christiaan.
Auch die Kajüte war geplündert worden. Der Schreibtisch seines Vaters war umgekippt und überall lagen Seekarten verstreut. Jack eilte zum Bett und zog die Matratze weg. Er drückte auf den Verschluss des Geheimfachs und zu seiner Erleichterung fand er darin das unversehrt in Öltuch eingeschlagene Buch.
Hastig steckte er es sich unter das Hemd und verließ die Kabine wieder. Er war fast am Niedergang angelangt, da streckte sich aus dem Dunkeln eine Hand nach ihm aus und packte ihn am Hemd.
Ein geschwärztes Gesicht tauchte vor ihm auf.
Es grinste ein wenig irre und zwei Reihen von Haifischzähnen wurden sichtbar.
»Der Teufel soll sie holen!«, flüsterte Ginsel mit aufgerissenen Augen. »Wir sind noch nicht geschlagen. Ich habe das Magazin in Brand gesteckt. BUM !«
Er schleuderte die Arme auseinander, um das Ausmaß der zu erwartenden
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