Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
du«, erwiderte Sensei Yamada und legte beruhigend die Hand auf Jacks zitternden Arm. »Handle nach dem Rat, den du anderen geben würdest. Was würdest du ihnen raten?«
»Na los, Rotznase, verschwende nicht meine Zeit!«, brüllte der Samurai und stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf.
»Man darf die Angst nicht fürchten«, sagte Jack sofort.
Sensei Yamada nickte. »Genau. Denk dran – dein Gegner besteht aus Fleisch und Blut. Er ist kein Mönch aus dem Gebirge.«
Die Luft war furchtbar trocken und Jacks Zunge war wie ausgedörrt. Er wollte sich die Lippen lecken, doch die Angst hatte seinem Mund jede Feuchtigkeit entzogen.
Die Spitzen ihrer Schwerter glänzten goldrot im letzten Licht der Abendsonne. Jack vergewisserte sich ein letztes Mal, dass er sein Schwert richtig hielt. Es war schwerer als das Übungsschwert, lag aber gut in der Hand und die stählerne Klinge war scharf und gerade. Er hatte in den vergangenen Monaten so oft mit ihm geübt, dass er sich schon einbildete zu hören, wie es zu ihm sprach.
Ruhe überkam ihn.
Er verspürte keine Angst mehr. Er war zum Zerreißen gespannt vor Anspannung, seine Angst aber hatte er bereits in der Prüfung der Seele gemeistert und bezwungen.
Jack erinnerte sich an Sensei Hosokawas Worte: Die drei schlimmsten Feinde des Samurai sind Angst, Zweifel und Verwirrung.
Er hatte seine Angst bezwungen.
Er hatte seine Verwirrung überwunden.
Es blieb nur der Zweifel.
Er betrachtete das gefühllose Gesicht seines Gegners. Die grauen Augen des Mannes verrieten nichts.
Nicht zum ersten Mal blickte Jack dem Tod ins Auge.
Diesmal wollte er nicht zögern.
Er sah, dass der Samurai seine Schwertspitze ein wenig zu tief hielt. Sein Hals war ungedeckt.
Für die Zuschauer kam sein Angriff so schnell wie das Aufflattern eines erschreckten Vogels. Blitzschnell stieß Jack das Schwert des Samurai zur Seite und schlug nach seinem Hals.
Pfeifend sauste die Klinge durch die Luft.
Und traf daneben.
Denn der Samurai hatte eine List angewendet und Jack mit einer scheinbaren Blöße zum Angriff verlockt. Jetzt ging er zum Gegenangriff über und schlug nach Jacks Bauch. Die Klinge schnitt von der untersten Rippe über seinen Bauch.
Akiko, Emi und die anderen schrien entsetzt. Der Samurai spießte Jack mit seinem Schwert auf.
50
Vergiss das Schwert
Jack entging dem Tod nur um Haaresbreite. Die Klinge zerschnitt seine lose herunterhängende Jacke und streifte ihn. Er spürte den harten, kalten Stahl auf der Haut.
Wie dumm er war!
Er verfluchte sich selbst und rannte an seinem Gegner vorbei. Seine Jacke zerriss. Hastig wich er einige Meter vor dem Samurai zurück.
Was hatte Masamoto gesagt?
Lass dich nicht von ihm aus der Reserve locken.
Genau das hatte er soeben getan.
Der Samurai sah enttäuscht auf Jacks nackten Bauch. »Bluten Gaijin nicht?«
Einige Zuschauer lachten.
»Natürlich nicht!«, rief einer. »Sie sind wie Würmer!«
Die Umstehenden wurden unruhig. Einige schrien nach Jacks Blut, andere nahmen ihn in Schutz.
Das Gejohle der Zuschauer machte Jack wütend. Die meisten schienen sich kein bisschen um den Geist des Bushido zu scheren. Wo waren Höflichkeit, Ehre und Güte? Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit?
Die Wut verlieh ihm neue Kraft. Er würde ihnen zeigen, was es hieß, ein Samurai zu sein.
Wie Masamoto ihm geraten hatte, lenkte er seine Wut in das Wasser seines Bewusstseins und ließ sie in Wellen verebben.
Dann zwang er sich, ruhig zu atmen, und überlegte.
Den ersten Schlagabtausch hatte er nur knapp überlebt.
Er wusste, dass er nicht noch einmal so viel Glück haben würde.
Diesmal wollte er auf den Samurai warten und ihn angreifen lassen. Obwohl er innerlich vollkommen gefasst war, tat er so, als sei er der Verzweiflung nahe.
Er ließ seinen Schwertarm zittern und umkreiste seinen Gegner, als wollte er fliehen, bis er mit dem Rücken zur Sonne stand und der Samurai die Augen geblendet zusammenkniff.
»Bitte … töten Sie mich nicht …«, bettelte er.
Sasaki Bishamon schüttelte angewidert den Kopf. Einige Zuschauer buhten ihn aus und aus den Augenwinkeln sah Jack, wie Masamoto vor Scham über sein unwürdiges Verhalten den Kopf senkte.
»Du bist so was von erbärmlich!«, schimpfte der Samurai. »Und das will ein großer Gaijin-Samurai sein.« Er richtete sein Schwert auf Jack. »Höchste Zeit, dass ich dich von deinem Elend erlöse.«
Ganz langsam näherte er sich und hob das Schwert zum entscheidenden Schlag. Er wollte Jack ganz
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