Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
näherte sein Gesicht dem von Jack. »Was habe ich gesagt?«, zischte er empört. »Nur Wurf- und Haltegriffe. Seit wann gehören dazu Faustschläge?«
»Seit wann … ist Mord … bei einem Übungskampf zugelassen?«, stieß Jack unter Folterqualen zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Kazuki lag auf dem Boden und betastete seine aufgeplatzte Lippe. Sein Kittel hatte leuchtend rote Flecken.
»Du musst noch viel lernen«, sagte Sensei Kyuzo, »vor allem fudoshin . Du bist viel zu unbeherrscht für einen Samurai!«
Jack war sprachlos, aber nicht nur aufgrund der Schmerzen, sondern auch wegen der Ungerechtigkeit des Lehrers.
»Zur Strafe für deine Unbeherrschtheit kommst du heute zur Abendessenszeit hierher zurück und polierst jeden einzelnen Holzklotz des Bodens«, verkündete Sensei Kyuzo, sodass es die ganze Klasse hören konnte. »Du gehst erst zu Bett, wenn du damit fertig bist, verstanden?«
»Aber ich bin heute Abend zum Tee bei Daimyo Takatomi eingeladen, Sensei.«
Sensei Kyuzo starrte Jack wütend an, aber selbst er konnte ihn nicht zwingen, eine so wichtige Einladung zu versäumen. »Dann morgen Abend!«
» Hai, Sensei«, antwortete Jack grimmig.
Der Sensei beugte sich vor und drückte den Daumen noch fester in Jacks Nacken. Jack wurde fast ohnmächtig vor Schmerzen. Der Sensei neigte sich zu seinem Ohr hinunter. »Ich weiß nicht, wie du deinen Namen in die Liste für den Kreis der Drei eingetragen hast«, flüsterte er, »aber eines kannst du dir merken: Ich werde persönlich dafür sorgen, dass du die Auswahlprüfungen nicht bestehst.«
9
Fudoshin
»Was bedeutet fudoshin überhaupt?«, stöhnte Jack und rieb sich den empfindlichen Nacken. Das Mittagessen war vorbei und er war mit seinen Freunden in den Gassen Kyotos unterwegs.
»Das weiß ich auch nicht so genau«, gestand Yamato.
Jack sah die anderen fragend an, aber Akiko schüttelte nur stumm den Kopf und schien ebenfalls ratlos. Saburo strich sich nachdenklich mit den Fingern über das Kinn. Er wusste offenbar auch keine Antwort, denn er biss nach kurzer Pause wieder in den gegrillten Hähnchenspieß, den er von einem Straßenhändler gekauft hatte.
»Es bedeutet ›unbewegter Geist‹«, sagte Kiku.
Yori, der neben ihr ging, nickte zustimmend, als sei damit alles erklärt.
»Was bedeutet es, einen ›unbewegten Geist‹ zu haben?«, fragte Jack weiter.
»Mein Vater sagt, es gehe darum, die Gefühle zu beherrschen«, antwortete Kiki. »Ein Samurai muss immer Ruhe bewahren – selbst im Angesicht der Gefahr.«
»Und wie lernt man das?«
»Keine Ahnung … Mein Vater kann gut erklären, aber er ist kein Lehrer.« Kiku lächelte Jack entschuldigend an.
»Ich glaube, wer fudoshin beherrscht, ist ein bisschen wie ein Weidenbaum«, rief Yori.
»Ein Weidenbaum?« Jack runzelte verwirrt die Stirn.
Yori nickte. »Man braucht wie eine Weide tiefe Wurzeln, um dem Sturm standzuhalten, aber gleichzeitig muss man weich und nachgiebig sein, damit der Wind über einen hinwegblasen kann.«
Jack lachte bitter. »Das ist leichter gesagt als getan! Versuch du mal ruhig zu bleiben, wenn dich jemand würgt und dir sagt, dass Ausländer bei lebendigem Leibe verbrannt werden – und dass du als Nächster dran bist!«
»Hör nicht auf Kazuki, Jack«, sagte Akiko und seufzte. »Er erfindet das doch nur, um dir Angst zu machen.«
»Tut mir leid«, fiel Saburo ihr ins Wort und schluckte das letzte Stück Fleisch hinunter. Er klang ein wenig verlegen. »Aber Kazuki hat Recht.«
Alle sahen ihn an.
»Ich wollte es dir nicht sagen, Jack, aber Daimyo Kamakura hat offenbar tatsächlich einen christlichen Priester töten lassen. Ich habe an der Straße eine Bekanntmachung gesehen …«
Saburo sah, wie alle Farbe aus Jacks Gesicht wich, und verstummte.
Jack war auf einmal, als wärme die mittägliche Sonne ihn nicht mehr. Ein eisiger Schauer überlief ihn. Kazuki hatte also doch die Wahrheit gesagt. Jack musste unbedingt Genaueres wissen. Er wollte Saburo gerade danach fragen, da bogen sie um eine Ecke und gelangten auf einen großen Platz. Jack stand unvermutet vor der blitzenden Klinge eines Samuraischwertes.
Ein Krieger in einem dunkelblauen Kimono mit einem Bambusschössling als Wappen holte mit dem Schwert aus und alle Gedanken an Kamakura und den toten Priester waren wie weggeblasen.
Doch die Klinge war nicht auf Jack gerichtet – sondern auf einen zweiten Krieger in einem einfachen braunen Kimono mit einer Mondsichel und einem Stern
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