Samurai 2: Der Weg des Schwertes (German Edition)
als Wappen, der bewegungslos drei Schwertlängen von seinem Gegner entfernt stand.
»Ein Zweikampf!«, rief Saburo erfreut und zerrte Jack aus dem Weg. »Schnell da rüber!«
Um die beiden Krieger hatte sich bereits eine Menge von Schaulustigen versammelt. Einige musterten Jack misstrauisch und wechselten hinter vorgehaltener Hand flüsternd einige Bemerkungen. Sogar der in Blau gekleidete Krieger ließ sich für einen kurzen Moment von dem unerwarteten Auftauchen des blonden, mit einem Kimono bekleideten Ausländers ablenken und streifte ihn mit einem flüchtigen Blick.
Jack achtete nicht darauf. Er war es gewohnt, überall Aufmerksamkeit zu erregen.
»Hallo, Jack, ich habe nicht erwartet, dich hier zu sehen.«
Jack drehte sich um. Vor ihm stand Emi in einem eleganten meergrünen Kimono. Sie war in Begleitung ihrer beiden Freundinnen Cho und Kai und einer älteren Anstandsdame, einem weiblichen Samurai. Die Schüler verbeugten sich voreinander.
»Warum kämpfen die beiden?«, fragte Jack Emi, die neben ihn getreten war.
»Der Samurai in Blau macht eine musha shugyo «, antwortete Emi.
Der Krieger, der Jack mit seinem Blick gestreift hatte, war einige Jahre jünger als sein Gegner, der dreißig sein mochte. Sein Kimono war staubig und zerschlissen, sein Gesicht wettergegerbt.
»Was ist eine musha shugyo ?«, fragte Jack.
»Eine Kriegerwallfahrt. Wenn ein Samurai seine Ausbildung beendet hat, zieht er durch Japan, um seine Kraft zu erproben und seine Technik zu verbessern. Er fordert andere Samurai heraus, um sich mit ihnen zu messen.«
»Der Verlierer wird kampfunfähig oder bewusstlos geschlagen und manchmal sogar getötet!«, fügte Saburo hinzu. Er klang für Jacks Geschmack ein wenig zu begeistert.
»Getötet? Das ist aber eine reichlich blödsinnige Art, sich zu beweisen.«
»Aber wie soll man sonst herausfinden, ob man gut ist?«, fragte Emi sachlich.
Jack wandte seine Aufmerksamkeit den beiden Duellanten zu. Sie starrten einander an. Keiner schien willens, die erste Bewegung zu machen. Die Mittagssonne brannte heiß auf sie nieder. Dem blau gekleideten Krieger lief eine Schweißperle die Schläfe hinunter, doch er beachtete sie nicht.
»Warum greift er nicht an?«, fragte Jack.
»Keiner will eine Schwäche zeigen, die er vielleicht hat«, sagte Yamato. »Mein Vater sagt, dass schon die kleinste Bewegung einen Fehler deiner Technik verraten kann, den der Gegner dann womöglich ausnützt.«
Auch die Zuschauer spürten die wachsende Spannung und warteten mit angehaltenem Atem. Sogar die Kinder in der hintersten Reihe waren still. Zu hören war nur das Bimmeln der Tempelglocken zum Zeichen, dass die Mittagsgebete anfingen.
Der Samurai in Blau verlagerte nervös das Gewicht und ein Staubwölkchen wehte über den Boden. Sein Gegner verharrte vollkommen reglos. Sein Schwert steckte noch in der Scheide.
Kaum waren die Tempelglocken verklungen, zog er mit einer raschen Bewegung sein Schwert.
Die Zuschauer wichen einen Schritt zurück.
Das Duell hatte begonnen.
Die beiden Samurai umkreisten einander.
Plötzlich schrie der Krieger in Blau. »Kiaaaiiiii!«
Er ging mit erhobenem Schwert auf den älteren Samurai zu. Der ließ sich nicht beeindrucken, machte einen Schritt zurück und blieb mit weit gespreizten Beinen seitlich zu seinem Gegner stehen. Zugleich hob er sein Schwert ebenfalls über den Kopf und ließ es hinter seinem Rücken verschwinden, sodass sein Gegner es nicht mehr sehen konnte.
Dann wartete er.
»Kiaaaiiiii!«
Der Samurai in Blau schrie wieder und griff an. Er schlug mit seinem Schwert nach dem ungeschützten Hals des Gegners. Der Sieg schien ihm sicher.
Der ältere Samurai bewegte sich immer noch nicht und Jack hielt ihn schon für so gut wie tot.
Doch dann, im allerletzten Moment, wich er dem tödlichen Schlag zur Seite aus und stach sein Schwert mit einem kurzen »kiai!« in die ungeschützte Seite des Angreifers.
Die beiden Samurai erstarrten und sahen einander an. Eine Ewigkeit schien zu vergehen.
Keiner brach den Augenkontakt.
Vom Schwert des Älteren tropfte Blut.
Kein Laut war zu hören, als habe der Tod auch alle Geräusche ausgelöscht. Nicht einmal eine Tempelglocke läutete.
Dann neigte sich der jüngere Samurai mit einem leisen Stöhnen ein wenig zur Seite und brach tot zusammen. Eine Staubwolke wirbelte auf und zog durch die Luft wie die entweichende Seele des Kriegers.
Der ältere Samurai verharrte noch einen Moment länger in seiner Haltung, um ganz
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