Samurai 3: Der Weg des Drachen
Enttäuschung an den Augen ablas. »Masamoto-sama hat oft gesagt, dass er seine letzten Jahre gern in stiller Einkehr verbringen würde. Er wollte schon immer die Technik der beiden Himmel für künftige Generationen von Schwertkämpfern aufschreiben. Vielleicht hat er jetzt Gelegenheit dazu.«
Jack lachte. Sein Zen-Meister sah hinter jeder Regenwolke die Sonne.
»Wissen Sie auch, was mit Daimyo Takatomi und Emi geschehen ist?«, fragte er.
Sensei Yamada nickte. »Emi-chan geht es gut. Daimyo Takatomi ist ein sehr weiser Mann und Daimyo Kamakura mag skrupellos sein, aber er weiß, dass er für seine Vision eines neuen Japan kluge Fürsten wie Takatomi braucht.«
»Heißt das, Daimyo Takatomi dient ihm jetzt?«, rief Jack. »Dann hat er uns betrogen!«
»Unser Fürst ist kein Betrüger«, erwiderte Sensei Yamada streng. »Wir haben den Krieg verloren und Daimyo Takatomi hat erkannt, dass er Japan im Dienst der neuen Regierung mehr nützen kann als ein verbannter oder toter Fürst.«
»Aber steuert Japan nicht auf einen Abgrund zu? Sollte er nicht einen Aufstand organisieren?«
Sensei Yamada klopfte mit seinem Stock auf den Boden. »Nach dem Regen wird die Erde wieder härter.«
Jack sah den Zen-Meister verständnislos an und wünschte sich, er würde nicht immer in Rätseln sprechen.
»Japan ist heute stärker als vor dem Krieg. Auch wenn viele einen anderen Herrscher bevorzugt hätten: Es fällt Daimyo Kamakura zu, unser Land zu einen. Nobunaga hat den Reis gesammelt und Hasegawa den Teig geknetet, Daimyo Kamakura darf den Kuchen essen!«
Sensei Yamada lachte über das witzige Bild, dann wurde er wieder ernst. »Er hat sich zum Shogun erklärt.«
»Zum Shogun?«
»Zum eigentlichen Herrscher Japans. Er hält jetzt alle Macht in den Händen und beruft sich auf die Abstammung von den Minamoto. Der Kaiser ist nur noch die Galionsfigur unseres Landes, in Wirklichkeit wird Japan vollkommen von Daimyo Kamakura beherrscht. Und damit kommen wir zu dir, Jack-kun. Hast du dir Gedanken über deine Zukunft gemacht?«
Jack nickte zögernd. »Einige ja, aber sie bieten allesamt keinen Anlass zur Hoffnung.«
Der Sensei schnalzte missbilligend mit der Zunge und hob tadelnd den Zeigefinger. »Soviel ich weiß, hast du selbst zu Yori gesagt: ›Wo Freunde sind, da ist auch Hoffnung.‹ Sehr weise Worte.«
Er blickte zum Haus, wo in diesem Augenblick eine Schiebetür aufging.
»Da wir von klugen Worten sprechen, hier kommt eine kleine Quelle der Weisheit.«
Yori eilte über die Brücke. In der Hand hielt er eine Pflanze.
Jack hatte über das Durchhaltevermögen des Freundes gestaunt. Am Tag nach der Flucht von der Tenno-ji-Ebene waren sie Sensei Yamada und Yori begegnet. Es war höchste Zeit gewesen. Akiko verlor immer wieder das Bewusstsein und Jack wusste nicht mehr, was er tun sollte. Sensei Yamada hatte die Pfeilspitze entfernt und die Wunde mit Kräutern behandelt.
Auf dem Weg nach Toba hatte Yori Jack von seiner Flucht erzählt. Kurz bevor die Roten Teufel ihn niedertrampeln konnten, hatte er sich von der Brücke in den Burggraben geworfen. Dort hatte er sich zwischen den blutenden und verstümmelten Leichen gefallener Samurai verstecken müssen, um nicht gefangen genommen zu werden. Nach Einbruch der Dunkelheit hatte er allein die Tenno-ji-Ebene überquert und war zuletzt auf Sensei Yamada gestoßen.
Dass seine Freunde noch lebten, freute Yori über die Maßen und er glaubte darum noch fester an Buddha. Doch Jack wusste, dass Yori seit seiner Flucht unter schrecklichen Albträumen litt. Er hörte ihn jede Nacht angstvoll aufschreien.
Yori trat lächelnd zu Jack und überreichte ihm den Schössling.
»Uekiya meint, wir sollten diesen Kirschbaum zu Yamatos Ehren pflanzen«, sagte er. »Akiko fand, du als sein Bruder solltest die Stelle bestimmen.«
Jack nahm den kleinen Baum aus Yoris Hand. In seinen Augen standen Tränen.
Am Abend pflanzten Sensei Yamada, Yori, Akiko und Jack ihn bei Sonnenuntergang feierlich ein.
Jack füllte das Loch vorsichtig mit Erde und sprach ein Gebet.
»Wir pflanzen diesen Baum nicht nur zur Erinnerung an unseren Freund, sondern auch als Zeichen der Hoffnung für unsere Zukunft.«
62
Der Weg des Kriegers
Jack überprüfte sein Bündel noch einmal.
Der Portolan lag, in das schützende Öltuch eingewickelt, ganz unten. Darüber kam der Daruma, dessen einzelnes Auge Jack im flackernden Schein der Öllampe unverwandt anstarrte. Des Weiteren enthielt die Tasche eine mit Wasser
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