Samurai 3: Der Weg des Drachen
vordringliche Bedeutung einräumen. Daran konnte Jack nichts ändern. Er konnte nur hoffen, dass es niemandem gelang, den Text zu entschlüsseln. Seine wichtigste Aufgabe war es jetzt, die Technik der beiden Himmel zu erlernen. Er musste sich auf die Zukunft vorbereite n – wie ungewiss auch immer diese sein mochte.
25
Der letzte Samurai
Jack setzte sich auf sein hölzernes Pferd.
Braunes, verrottetes Laub bedeckte den Boden. Der Herbst war vorbei und an den Bäumen entlang der Bogenschießbahn am Kamigamo-Schrein hingen kaum noch Blätter. Die anfangs so unmittelbare und schreckliche Bedrohung durch den Krieg hing inzwischen schwer und düster am Horizont wie ein fernes Gewitter. Zwar hörte man immer wieder von verfolgten Ausländern und nordwärts ziehenden ronin, aber noch hatte Daimyo Kamakura keinen japanischen Fürsten angegriffen und der Krieg war nicht offen ausgebrochen. Viele Schüler glaubten nicht mehr an die Gefahr. Jack wusste, dass eine solche Arglosigkeit bei einem verschlagenen Menschen wie Kamakura gefährlich war. Doch selbst er schöpfte Hoffnung. Vielleicht hatte der Daimyo nicht die nötige Unterstützung gefunden und sein Feldzug war zum Erliegen gekommen.
»In-yo, in-yo«, sagte er abwesend vor sich hin. Er zog einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn ein und schoss auf die hölzerne Zielscheibe.
Inzwischen konnte er mit geschlossenen Augen schießen. Er kannte die genaue Höhe des Ziels und traf aus jeder Entfernung und jedem Winkel. Er wusste genau, wie lange er brauchte, den Pfeil einzulegen, zu schießen und sich für den nächsten Schuss bereit zu machen. Und er wusste, dass die Übungspfeile mit den abgerundeten Holzspitzen beim Fliegen ein wenig absanken. Völlig offen war dagegen, ob er das alles auch vom galoppierenden Pferd aus schaffte.
Neidisch sah er zu, wie die anderen Schüler auf ihren Rössern die Bahn entlangdonnerten. Emi galoppierte an ihm vorbei und traf die ersten beiden Ziele, verfehlte aber das letzte. Trotz monatelangen Übens hatte mit Ausnahme von Takuan noch niemand alle drei Ziele in einem Durchgang geschafft. Gelegentlich fiel ein Schüler vom Pferd, doch Sensei Yosa ließ keinen ständig auf einem hölzernen Übungspferd trainiere n – nur Jack.
»Takuan meint, du hättest im vergangenen Monat große Fortschritte im Reiten gemacht«, sagte Sensei Yosa. Sie hatte sich Jack von hinten genähert und er fuhr zusammen.
»Wirklich?«, fragte er hoffnungsvoll. Obwohl er überrascht war, das zu hören, denn Takuan schien mehr mit Akikos Fortschritten beschäftigt als mit seinen Reitkünsten.
»Er sagt, du würdest als Nächstes lernen, ohne Zügel zu reiten.« Sensei Yosa tätschelte dem Übungspferd liebevoll den Kopf. »Wenn du weiterhin gut vorankommst, sitzt du im Frühjahr beim Yabusame auch auf einem richtigen Pferd. Komm mit zur Bahn, ich habe euch etwas anzukündigen.«
Jack seufzte tief über die Aussicht, ein weiteres Vierteljahr auf seinem hölzernen Pferd sitzen zu müssen. Er stieg ab, versetzte ihm einen Tritt in den hölzernen Hintern und folgte Sensei Yosa.
»Wie geht es deinem Schlachtross?«, fragte Saburo, als Jack sich zwischen ihn und Yamato kniete. »Frisst es immer noch Sägemehl?«
»Sehr witzig, Saburo.«
»Wann darfst du auf einem richtigen Pferd reiten wie wir?«, fragte Yamato.
»Erst im Frühjahr!«
»Das dauert ja noch ewig!«, rief Yamato.
Jack nickte niedergeschlagen. Yamato nahm ihn wenigstens ernst.
»Bis dahin hast du den Hintern voller Splitter!«, sagte Yamato und begann zu grinsen.
Jack konnte nicht anders und fiel in das Lachen der beiden anderen ein. Sensei Yosa gebot mit erhobener Hand Ruhe und die drei beherrschten sich mühsam.
»Ich bin mit euren Fortschritten sehr zufrieden. Deshalb will ich ein Wettschießen gegen zwei andere Samuraischulen aus Kyoto veranstalten, die Yagyu Ryu und die Yoshioko Ryu. Es wird zu Beginn der Kirschblüte stattfinden. Bis dahin mache ich mir ein Bild von euren Fähigkeiten und wähle drei Reiter aus, die für die Ehre der Niten Ichi Ryu kämpfen werden.«
Auf dem Rückweg vom Kamigamo-Schrein zur Schule unterhielten die Schüler sich aufgeregt.
»Wer wohl ausgewählt wird?«, fragte Kiku.
»Bestimmt Takuan«, sagte Akiko. »Er kann am besten schießen und reiten.«
»Es ist nett von dir, das zu sagen, aber es gibt unter den Schülern viele gute Reiter«, antwortete Takuan. »Meine Wahl würde auf dich fallen.« Er lächelte sie an.
Saburo warf Jack einen Blick zu und
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