Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
doch nicht mit dem Schwert!«
»Doch.« Jack lächelte listig und zitierte wieder seinen Schwertmeister: »Wenn dein eigenes Schwert dich in deinen Händen besiegt, wie kannst du dann hoffen, je einen Gegner zu besiegen?«
»Ach so, das ist eine Prüfung!«
Entschlossen hielt Hanzo den Stock mit ausgestreckten Armen vor sich hin. Die Minuten vergingen und die Arme des Jungen zitterten nicht einmal. Jack war beeindruckt. In Hanzo steckte mehr, als auf den ersten Blick zu sehen war.
Drei Jungen und ein Mädchen spazierten an dem stocksteif dastehenden Hanzo vorbei.
»Was machst du da?«, rief ein Junge mit rundem Gesicht über den Zaun.
»Schwerttraining, Kobei.«
»Sieht mehr aus wie Vogelscheuchentraining!« Kobei lachte.
»Was weißt du schon? Du hast nicht den König der Tengu als Lehrer«, erwiderte Hanzo und wies mit einem Nicken auf den im Schatten sitzenden Jack.
Die vier starrten Jack entgeistert an.
»Ich habe ihn gefangen«, erklärte Hanzo. »Und jetzt hat er mir die Aufgabe gestellt, das Schwert zu besiegen.«
»Das ist doch leicht«, spottete Kobei, der den Tengu unbedingt beeindrucken wollte.
Und schon war der Wettkampf in vollem Gang. Verblüfft sah Jack zu, wie sich alle vier Kinder eifrig Bambusstöcke holten und sie wie Hanzo mit ausgestreckten Armen vor sich hinhielten.
Im selben Augenblick näherte sich ein junger Bauer. Er war kräftig und von der Feldarbeit gebräunt und wirkte durchtrainierter als mancher Samurai. Jack schätzte ihn auf etwa sechzehn. Er hatte ein breites, hübsches Gesicht mit erdbraunen Augen. Als er die Kinder unbeweglich wie Statuen und mit vor Anstrengung verzerrten Gesichtern dastehen und ihre Bambusschwerter halten sah, warf er Jack einen fragenden Blick zu, sagte aber nichts.
»Hanzo!«, rief er. »Soke sagt, du sollst deinen Gast zu Shonin bringen.«
»Ja, Tenzen.« Hastig legte Hanzo sein Übungsschwert weg.
»Verloren!«, rief Kobei.
»Nachher besiege ich euch alle«, rief Hanzo zurück.
Jack stand auf und verbeugte sich. Der junge Bauer neigte ehrerbietig den Kopf.
Auf dem Weg durch die Reisfelder konnte Jack seine Neugier nicht länger in Zaum halten. »Wer ist Shonin?«, fragte er Tenzen.
»Keine Person, sondern eine Stellung«, antwortete dieser höflich. »Shonin ist das Oberhaupt des Dorfes und der Anführer unseres Clans. Außerdem ist er mein Vater.«
Die drei stiegen einen Hang hinauf, schritten durch ein hohes, hölzernes Tor und betraten den Dorfplatz. In einer Ecke befanden sich einige Stallungen und an dem Zaun davor spielten Kinder. Sie versuchten auf der oberen Stange entlangzubalancieren, ohne herunterzufallen. Dahinter lag der Weiher, in dem einige Halbwüchsige schwammen, tauchten und miteinander balgten.
Die Dorfbewohner auf dem Platz starrten Jack erstaunt hinterher. Einige verbeugten sich höflich, als er an ihnen vorbeiging, und Jack verbeugte sich ebenfalls. Offenbar hatte der im restlichen Japan verbreitete Ausländerhass dieses Dorf noch nicht erreicht. Doch hörte er im Vorbeigehen besorgte Bemerkungen über die Anwesenheit eines Samurai. Sein Stand schien ein größeres Problem zu sein als seine Volkszugehörigkeit.
Tenzen führte Jack zu dem großen Bauernhaus in der Mitte des Platzes, das viel stattlicher war als das von Soke und dem Wohnsitz eines Samurai ähnelte. Es besaß eine erhöhte Veranda und Fensterläden und war mindestens doppelt so groß wie die anderen Häuser des Dorfes. Am Eingang begrüßten zwei Männer Tenzen und gewährten ihnen Einlass. Die drei streiften ihre Sandalen ab und folgten einem Gang mit einem polierten Holzboden, vorbei an zwei Zimmern bis zu einer doppelten Schiebetür am anderen Ende. Beim Näherkommen hörte Jack, dass hinter der Tür eine erregte Diskussion im Gange war.
»Hältst du es wirklich für richtig, einen Samurai hierherzubringen?«
»Wir können viel Nützliches von ihm lernen«, antwortete eine Stimme, die Jack als die von Soke erkannte. »Außerdem spüre ich, dass er ein gutes Herz hat.«
»Das hast du über den letzten Fremden auch gesagt und wir wissen alle, was dann geschah. Was, wenn er uns die Samurai ins Dorf holt? Muss ich dich daran erinnern, dass Daimyo Akechi unser Dorf immer noch zerstören will?«
»Ich bin mir des Risikos bewusst, aber der Junge ist genauso ein Außenseiter wie wir. Lerne ihn kennen und urteile selbst.«
Die Tür öffnete sich und Jack wurde in den Raum geführt.
8
Shonin
Das Empfangszimmer war groß. Fein gewebte Strohmatten
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