Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
wohnen zu können. Der Weg nach Süden führte direkt nach Nara und zum Todai-ji-Tempel. In diese Richtung wies das omamori – es war womöglich das Ziel von Manzos beiden Freunden und damit hoffentlich auch seiner restlichen Habseligkeiten. Doch sicher war das keineswegs. Die ungepflasterte Straße nach Westen führte nach Osaka und zur Küste, der er weiter in Richtung Süden nach Nagasaki folgen wollte. Doch mittellos, wie er war, ohne Schwerter zu seiner Verteidigung und nur mit einem betrunkenen Samurai als Gefährten würde er Osaka wahrscheinlich nie erreichen, von Nagasaki ganz zu schweigen.
Vier Richtungen und vier Wahlmöglichkeiten. Keine davon bot ihm irgendeine Sicherheit.
Ronin schien den Zwiespalt, in dem er steckte, an seinem Gesicht abzulesen. »Wer hinter zwei Hasen her ist, fängt nicht einmal einen«, sagte er.
Jack hielt das Amulett hoch. »Das hier sagt, ich soll nach Süden gehen.«
»Deine Schwerter sind im Norden«, wandte Ronin ein.
»Aber alles andere ist im Süden: meine Perle, mein Geld, das Tagebuch meines Vaters …«
»Sicher weißt du das nicht. Und was ist so besonders an einem Tagebuch verglichen mit den Schwertern eines Samurai?« Ronin schnaubte.
Jack wollte ihm nicht erklären, was es mit dem Portolan auf sich hatte und welche Bedeutung er für die Navigation und die Politik hatte. Dazu vertraute er Ronin noch nicht genug. Und für ihn selbst bedeutete der Portolan natürlich noch viel mehr. Er war seine Rückfahrkarte nach England, das entscheidende Hilfsmittel, mit dem er Schiffssteuermann werden und seine Schwester Jess versorgen konnte. Zugleich stellte das Logbuch die letzte Verbindung zu seinem Vater dar. Ohne es war ihm, als verliere er seinen Vater noch einmal. Er wollte alles tun, um es zurückzubekommen.
»Glaubst du, die Männer, die es gestohlen haben, waren Samurai oder Banditen?«, fragte er Ronin, ohne auf dessen Frage einzugehen.
Ronin überlegte. »Beides wäre möglich. Manzo hielt sich offenbar für einen Samurai, aber er handelte wie ein Bandit. Wenn Samurai keinen Herrn haben, dem sie dienen, werden sie manchmal zu Straßenräubern, um überleben zu können. Seit Ende Krieges begegnet man solchen Leuten verstärkt auf der Straße.«
»Wir werden es also erst wissen, wenn wir die Diebe gefunden haben. Der Böttcher meinte, der Zweikampf sei gestern gewesen, sie können also noch nicht weit sein.«
»In dieser Richtung«, sagte Ronin und zeigte auf die nach Norden führende Brücke, »haben wir einen Namen, ein Ziel und eine konkrete Spur.« Er zeigte nach Süden. »In dieser Richtung haben wir nichts, nur eine vage Vermutung. Wir wissen nicht einmal, wie die beiden Männer aussehen und ob das omamori überhaupt etwas mit ihnen zu tun hat.«
Jack musste ihm Recht geben. »Aber was passiert, wenn wir diesen Matagoro Araki einholen? Er wird meine Schwerter nicht einfach so herausrücken.«
»Warum nicht? Er ist ein Samurai, dem an seinem Ruf gelegen ist«, erwiderte Ronin. »Er wird seinen Namen schützen wollen und nicht zulassen, dass er durch das Gerücht, er trage die gestohlenen Schwerter einer bedeutenden Samuraifamilie, beschmutzt wird. Außerdem kann er ja auch nur ein Schwerterpaar benutzen!«
Jack schüttelte zweifelnd den Kopf. »Kyoto ist viel zu riskant.«
»Du sagst, du seist ein Samurai! Aber ein Samurai ist nichts ohne seine Schwerter!« Ronin legte die Hand an sein Langschwert, um seinen Worte Nachdruck zu verleihen. »Außerdem bekommst du deine anderen Sachen viel eher zurück, wenn du mit deinen eigenen Waffen darum kämpfen kannst.«
Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Die Schwierigkeit war nur, Jack wusste nicht, in welche Richtung der Strom floss. Und wenn er sich für die falsche Richtung entschied, konnte das seinen Tod bedeuten.
»Sieht aus, als sei die Entscheidung schon gefallen«, sagte Ronin und nickte nach Süden in Richtung Nara.
Von dort näherte sich auf der Straße eine Patrouille von Polizisten, vor der die Passanten hastig zur Seite wichen.
»Wir sollten uns lieber beeilen«, sagte Ronin und begann zielstrebig in die entgegengesetzte Richtung zu marschieren, nach Kyoto.
Jack eilte ihm hinterher. Die schweren Niederschläge des Vortags waren inzwischen aus den Bergen im Tal angekommen und hatten den Kizu in einen reißenden Strom verwandelt. Sie reihten sich unter die anderen Reisenden ein, gelangten ans andere Ufer und behielten ihr zügiges Tempo bei, bis sie den Wald erreichten.
»Glaubst du,
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