Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
sich.
»Womit kann ich dienen?«
»Vier manju «, bestellte Ronin.
»Welche Geschmacksrichtung darf es sein?«, fragte der manju -Verkäufer und zeigte auf eine Tafel, die sechs verschiedene Füllungen auflistete:
(Fleisch)
(Grüntee)
(Aubergine)
(Kastanie)
(Pfirsich)
(Rote Bohnen)
Ronin überlegte kurz und zupfte an seinem Bart. »Zweimal Fleisch und zweimal Bohnen.«
Der Verkäufer verbeugte sich erneut und lüpfte den Deckel eines rechteckigen, hölzernen Kastens. Eine Dampfwolke stieg auf, und als sie sich verzogen hatte, wurde ein Dutzend milchweißer Knödel sichtbar. Er wählte zwei aus und dann noch einmal zwei aus einem anderen Kasten.
»Das macht dann vier bitasen bitte«, sagte er und stellte stolz zwei Teller mit den dampfenden Knödeln vor Ronin.
Ronin zog vier Kupfermünzen heraus und zahlte. Dann setzten sie sich auf die Bank und Jack biss hungrig in seinen ersten manju hinein. Unter der teigartigen Hülle kam eine an Schweinefleisch erinnernde Füllung zum Vorschein. Zufrieden stöhnte er. Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um die Dampfnudel nicht gleich auf einmal hinunterzuschlingen. Beim Essen fiel sein Blick wieder auf die seltsame Holzstatue neben der Bank.
»Was soll das eigentlich sein?«, fragte er und zeigte mit einem Nicken darauf.
»Das ist ein tanuki .« Ronin spülte seinen manju mit einem großen Schluck Reiswein hinunter. »Er soll Kunden anlocken.«
Das Essen und der Wein schienen ihn milder zu stimmen, Jack fuhr deshalb rasch fort: »Gibt es solche Tiere auch in Wirklichkeit?«
Ronin nickte. »Aber viele glauben, dass sie die Gestalt verändern können und den Menschen damit Streiche spielen.«
»In was verwandeln sie sich denn?«
»In Bäume, Teekannen, Mönche …«
Wieder ertönten Hammerschläge, dieselben, die Jack schon früher gehört hatte. Sie kamen jetzt von viel näher und waren ohrenbetäubend laut.
Ronin schnitt eine Grimasse.
»Teekannen?«, fragte Jack. Die Vorstellung belustigte ihn. Außerdem fragte er sich jetzt, ob nicht der Rätselmönch ein naseweiser tanuki gewesen war. Die vorquellenden Augen hatten jedenfalls beide gemeinsam.
Wieder donnerte ein Hammerschlag.
Ronin nickte und runzelte unwillig die Stirn. »Sie sind allerdings nicht alle harmlos. Es gibt eine Geschichte über einen tanuki , der die zänkische Frau eines Bauern umgebracht hat …« Bum! »… und sie zu einer Suppe verarbeitet hat …« Bum! »… die ihr Mann dann gegessen hat.« Bum!
Ronin zuckte bei jedem Schlag zusammen und Jack spürte, dass er kurz davorstand, die Geduld zu verlieren.
»Wer macht diesen furchtbaren Lärm?«, rief Ronin unwirsch.
Der manju -Verkäufer steckte den Kopf aus der Tür. »Das muss der Böttcher im Nachbarhaus sein«, sagte er ein wenig verlegen.
Bum! Bum! Bum!
»Wie viele Nägel braucht er denn für ein Fass?«, knurrte Ronin und rieb sich die Schläfen.
»Ich glaube, er macht einen Sarg«, erklärte der Verkäufer.
»Wenn er mit diesem höllischen Lärm nicht aufhört, macht er den Sarg für sich!«
Im selben Augenblick verstummte das Hämmern. Ronin seufzte erleichtert auf. Doch schon im nächsten Augenblick nahm der Böttcher die Arbeit wieder auf.
Bum! Bum! Bum!
»Jetzt reicht es aber!«, brüllte Ronin. Er packte seine Flasche und marschierte los.
»Warte!«, rief Jack. Er nahm die beiden noch übrigen Dampfnudeln, stopfte sie in seinen zerrissenen Kimono und eilte mit seinem Stock in der Hand hinter dem aufgebrachten Samurai her.
9
Ein toter Samurai
Jack holte Ronin hinter dem Böttchergeschäft ein, auf einem kleinen Hof voller Bretterstapel und halb fertiger Fässer, auf dem auch ein offener Sarg stand. Das Hämmern war verstummt, stattdessen herrschte Totenstille. Vor Ronins Füßen lag eine blutige, vom Hals bis zur Hüfte aufgeschlitzte Leiche.
»Nein!«, schrie Jack und trat näher.
Ronin sah ihn trotzig an.
»Du kannst doch nicht jemanden töten, nur weil er laut war …«
Zu Jacks Entsetzen begann Ronin auch noch herzhaft zu lachen.
Es war ein Fehler gewesen, sich mit einem skrupellosen und unberechenbaren Mörder zusammenzutun. Da Jack Ronins Blick nicht mehr ertragen konnte, wandte er sich voller Mitleid dem Toten zu. Er trug einen schlichten blauen Kimono, den ein einziger, wütender Schwerthieb zerfetzt hatte. Sein Gesicht war noch jung, er mochte vielleicht Anfang zwanzig sein, doch sein plötzliches, gewaltsames Ende hatte es in eine wächserne Totenmaske verwandelt und der Mund war mitten
Weitere Kostenlose Bücher