Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
die Polizisten haben uns gesehen?«, fragte Jack und blickte über die Schulter zurück. Die Straße war belebt und er konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob jemand das auffällige Stirnband der Polizei trug.
»Ganz ausgeschlossen ist es nicht«, antwortete Ronin. »Aber wir sollten deshalb nicht stehen bleiben.«
Der Tag verging und je weiter sie sich von Kizu entfernten, desto weniger Reisenden begegneten sie. Als die Dämmerung hereinbrach, war keine Menschenseele mehr zu sehen. Ronin bog von der Straße ab und ging in den Wald hinein. Auf einer kleinen Lichtung machte er schließlich halt.
»Hier übernachten wir«, sagte er, ließ sich nieder und lehnte sich an einen umgestürzten Baumstamm.
Jack setzte sich neben ihn. Der Samurai entkorkte seine Flasche und nahm drei große Schlucke. Jack hätte gern gewusst, ob er sich jeden Abend betrank oder nur einen kürzlich erlittenen Kummer ertränkte. Aber es gehörte sich nicht, ihn danach zu fragen. Er zog die beiden manju heraus, die er mitgenommen hatte, und reichte einen davon Ronin.
»Iss du ihn«, sagte der Samurai mit einer ablehnenden Handbewegung.
Jack widersprach nicht, beschloss aber, ihn sich für den folgenden Morgen aufzubewahren. Herzhaft biss er in den manju mit den roten Bohnen hinein. Zu seiner Überraschung schmeckte er zuckrig süß. Er war zwar nicht so nahrhaft wie der mit der Fleischfüllung, aber Jack verspeiste ihn trotzdem mit Appetit und war viel zu schnell damit fertig.
Nach Beendigung der kargen Mahlzeit spürte er plötzlich ein Kribbeln im Nacken. Der Großmeister hatte ihn während der Ausbildung im Ninjutsu gelehrt, auf solche Zeichen zu achten. Jack tat so, als wolle er sich nur bequemer an den Baumstamm lehnen, und sah sich bei dieser Gelegenheit verstohlen um. Auf der Lichtung war niemand, aber er bildete sich ein, im Gebüsch eine kaum merkliche Bewegung wahrzunehmen.
Flüsternd wandte er sich an Ronin: »Jemand beobachtet uns.«
11
Schatten in der Nacht
Der Wald war stockdunkel, die dicht stehenden Bäume verhinderten, dass das Mondlicht durchdrang. Nur die Lichtung lag unter freiem Himmel und das machte Jack und Ronin zu deutlich sichtbaren Zielen. Sie suchten das Unterholz mit Blicken ab, aber wer immer sie beobachtete, hielt sich gut versteckt.
»Bist du sicher?«, flüsterte Ronin und griff mit der Hand nach seinem Schwert.
Jack nickte kaum merklich und hielt seinen bo bereit. Er spürte, wie er beobachtet wurde. Da war ganz bestimmt jemand. Polizisten? Aber die überfielen ihre Opfer nicht heimlich, sondern griffen sie offen an und überwältigten sie dank ihrer Überzahl. Banditen? Es wäre wieder mal typisch für ihn und sein Pech gewesen, in einen zweiten Hinterhalt zu geraten. Oder Ninja? Jack hoffte Letzteres. Denn die Ninja waren nicht mehr seine Feinde. Soke hatte ihm ein geheimes Handzeichen gezeigt – das Drachensiegel –, mit dem er sich als ihr Freund zu erkennen geben konnte. Ob die Ninja ihm freilich glauben würden, stand auf einem anderen Blatt. Welcher Ninja glaubte schon, dass ein Ausländer zu ihnen gehörte? Außerdem war da noch Ronin. Er war den Ninja bestimmt nicht willkommen. Bestimmt mussten sie kämpfen.
Ronin stand auf.
»Wohin gehst du?«, flüsterte Jack.
»Ruf der Natur«, antwortete Ronin laut und hob die Augenbrauen zum Zeichen, dass es sich um eine List handelte.
Er verschwand in der Dunkelheit und brach lärmend durch die Büsche. Jack blieb allein zurück und suchte den Wald aufmerksam nach der kleinsten Bewegung ab. Er wusste, dass die Ninja sich unsichtbar machen konnten, indem sie die Gestalt eines Felsens annahmen, mit einem Baumstamm verschmolzen oder sich ins hohe Gras duckten. Im Wald konnten sich jede Menge Ninja verstecken und Jack begann sie in jeder Ausbuchtung und jedem flüchtigen Schatten zu sehen.
Plötzlich verstummte Ronin.
Jack drehte sich in seine Richtung. »Ronin«, flüsterte er, »alles in Ordnung?«
Doch niemand antwortete. Jack umklammerte seinen Stock fester. Vielleicht war der Samurai nur stehen geblieben und konnte ihn nicht hören. Aber genauso gut konnte ihn jemand gepackt und womöglich sogar getötet haben. Die Ninja waren Experten im lautlosen Töten. Und wenn Ronin tot war, war Jack als Nächster dran.
Die Stille dauerte an. Der ganze Wald schien den Atem anzuhalten.
Der Lautlosigkeit der Angreifer nach zu schließen, konnte es sich nur um Ninja handeln. Jack bildete das Drachensiegel, indem er die Hände aneinanderlegte, die mittleren
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