Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
wir es wirklich tun?«, flüsterte Jack und spähte durch das mächtige Holztor.
»Wenn die Perle zuerst dir gestohlen wurde, ist es kein Diebstahl«, sagte Ronin.
Dem konnte Jack nicht widersprechen, aber er hatte trotzdem Bedenken.
»Und außerdem verstößt ja nur Hana gegen das Gesetz«, fügte Ronin hinzu.
Hana stand mürrisch neben ihm.
Jack und Ronin hatten den ganzen Nachmittag überlegt, wie sie die Perle am besten zurückholen konnten. Einen Raubüberfall am helllichten Tag hatten sie als zu riskant verworfen. Es hätte Zeugen gegeben und womöglich eine gewaltsame Auseinandersetzung mit anschließender Verhaftung durch die Polizei. Ein nächtlicher Einbruch dagegen gab ihnen Zeit, zu fliehen, bevor das Verschwinden der Perle entdeckt wurde.
Jack winkte Ronin auf die Seite. »Hana kennt jetzt den wahren Wert der Perle. Was hindert sie daran, einfach mit ihr wegzulaufen?«
»Du hast Recht. Begleite sie lieber.« Ronin nahm einen Schluck Sake.
»Ich?«
»Es ist deine Perle.« Ronin nahm noch einen Schluck.
Jack überlegte, ob die Perle dieses Risiko wert war. Andererseits wollte er Akikos Geschenk unbedingt wiederhaben. Die Perle war das Symbol ihres unverbrüchlichen Bundes – auf ewig miteinander verbunden . Und dass er sie gefunden hatte, ließ ihn hoffen, dass auch die anderen Sachen wieder auftauchen würden – allen voran natürlich der Portolan.
»Dann gib mir das Geld für die Perle«, sagte er.
»Wir brauchen es für Proviant und für …« Ronin schüttelte die halb leere Sakeflasche.
»Ich weiß, aber als Samurai müssen wir den Tugenden des Bushido folgen und ehrlich sein. Das Geld gehört dem Händler, auch wenn er ein Betrüger ist.«
Ronin brummte etwas, gab ihm das Geld und ging zum Waldrand.
»Ich stehe hier Schmiere«, sagte er und duckte sich in den Schatten, die halb leere Flasche in der Hand. »Nun geht schon!«
Hana sah Jack an. »Dein Freund ist gut im Herumkommandieren. Tut er manchmal auch was?«
Jack hätte Ronin nicht unbedingt als Freund bezeichnet, aber er hatte nicht vergessen, dass der Samurai ihm im Teehaus das Leben gerettet hatte.
»Doch, schon.«
Hana ging ihm voraus auf den niedrigsten Abschnitt der Gartenmauer zu.
»Aber mach keinen Lärm«, mahnte sie.
»Keine Angst, ich bin ganz leise.« Jack streckte die Hände aus, um ihr hinüberzuhelfen.
Hana wusste nicht, dass er Unterricht in shinobi aruki gehabt hatte, der Kunst des lautlosen Gehens der Ninja. Ohne ein Geräusch zu verursachen, schwang er sich über die Mauer und landete geschickt neben Hana in dem mondbeschienenen Garten. Büsche und Sträucher waren sorgfältig beschnitten, an einem Teich stand ein kleines Teehaus. Ein gekiester Weg führte durch die Gartenlandschaft und an einer steinernen Laterne vorbei zum Hintereingang des Hauses.
Den Weg vermeidend – auf dem Kies hätten ihre Schritte geknirscht –, näherten sie sich vorsichtig der großen Schiebetür. Im Haus brannte kein Licht, aber sie wussten, dass der Händler und seine Frau da waren, denn sie hatten die beiden am Abend nach Hause zurückkehren sehen. Hana drückte die Tür so vorsichtig wie möglich einen Spalt auf und spähte hinein. Das Zimmer dahinter war abgesehen von einem Blumenarrangement in einer Nische und einem an der Wand hängenden Rollbild, das zwei auf einem Ast sitzende Vögel zeigte, leer.
Sie ließen die Tür offen, um notfalls rasch fliehen zu können, und gingen auf Zehenspitzen einen dunklen Flur entlang, an dessen Ende eine hölzerne Treppe nach oben führte. Vorsichtig stiegen sie in den ersten Stock hinauf. Als Hana den Treppenabsatz betrat, knarrte eine Diele. Das Geräusch ließ sie augenblicklich erstarren. Eine scheinbare Ewigkeit lauschten sie in der Erwartung, dass gleich jemand Alarm schlagen würde. Doch nichts geschah. Mit einem Seufzer der Erleichterung machten sie sich schließlich daran, die Zimmer des ersten Stocks zu erkunden.
Die ersten beiden waren leer, doch aus dem zum Garten gelegenen Zimmer drang regelmäßiges Schnarchen. Jack spähte durch den Spalt zwischen Schiebetür und Rahmen. Der Händler lag auf dem Rücken und schlief fest. Neben ihm, auf einem eigenen Futon, lag seine Frau. Sie hatte sich eine gepolsterte Stütze in den Nacken geschoben, damit ihre kunstvolle Frisur beim Schlafen nicht in Unordnung geriet.
Lautlos wie ein Schatten schlich Hana in das Zimmer und fing an, die Schubladen eines fein gearbeiteten, lackierten Schränkchens zu durchsuchen. Für Jacks
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