Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
bemerkte, wie Jack sich darüber wunderte.
»Die Einwohner von Nara halten diese Tiere für himmlische Geschöpfe«, erklärte sie. »Sie glauben, dass sie die Stadt vor Unglück bewahren.«
An einer großen, steinernen Laterne vorbei gelangten sie zu einem überdachten Brunnen. Jack und Hana spülten sich den Mund aus und wuschen sich die Hände. Ronin nahm unterdessen verstohlen einen Schluck aus einer neuen Flasche Reiswein.
»Mehr Reinigung brauche ich nicht«, verkündete er und schmatzte zufrieden mit den Lippen.
Auf dem Weg durch Nara waren sie an einem Sakeladen vorbeigekommen und Ronin hatte für Nachschub gesorgt. Zum Glück für Jack und Hana verkaufte der Laden unmittelbar daneben manju und sie hatten für das wenige Geld, das sie noch übrig hatten, drei Dampfnudeln und etwas getrockneten Reis erstanden.
Nachdem sie sich gereinigt hatten, stiegen sie die Stufen zur großen Halle hinauf. Vor dem Eingang stand eine große Urne mit Räucherstäbchen, von denen feine Rauchfäden aufstiegen. Die sechs mächtigen Türen standen weit offen. Sie betraten die gewaltige, dämmrige Halle und wieder verschlug es Jack den Atem.
Vor ihm thronte, die rechte Hand erhoben, die linke in den Schoß gelegt, ein riesiger Buddha aus Bronze. Eingerahmt von einem goldenen Rückenteil, ragte die Götterstatue vor ihnen auf und blickte über sie hinweg in die Ferne. Sogar Ronin wurde bei ihrem Anblick von Ehrfurcht ergriffen.
Rechts und links davon standen in einiger Entfernung die imposanten hölzernen Statuen zweier Krieger. Der eine war gelb bemalt, der andere rot. Zwei grimmige Wächter, die fast genauso hoch waren wie die Pfeiler, die das Dach des Todai-ji stützten. Hana ging zu einem der Krieger, um ihn näher zu betrachten. Am Eingang stand ein junger Priester. Jack näherte sich ihm mit gesenktem Kopf und zog das grünseidene omamori aus seinem Kimono.
»Ah, wie ich sehe, warst du schon einmal hier«, sagte der Priester leise und begrüßte Jack mit einer Verbeugung.
»Nein, leider nicht«, erwiderte Jack. »Ich habe das Amulett gefunden und glaube, dass es jemandem aus Eurem Tempel gehört. Vielleicht kennt Ihr den, der es verloren hat?«
Der Priester lächelte und schüttelte sanft den Kopf. »Wir verkaufen diese Amulette sehr oft.« Er zeigte auf einen mit lauter grünseidenen omamori behängten Stand. »Dein Amulett kann einem von tausend Pilgern gehören.«
Jack betrachtete die vielen Reihen von omamori und seine Hoffnung verflog augenblicklich. Der einzige Gegenstand, den er von dem Überfall zurückbehalten hatte, hatte sich als wertlos erwiesen. Er bedankte sich mit einer Verbeugung bei dem Priester und kehrte zu Ronin zurück.
Jetzt hatten sie als Anhaltspunkt nur noch den Namen Botan. »Wie sollen wir diesen Samurai bloß finden?«, fragte er deprimiert.
»Ich werde mich in der Stadt umhören müssen«, erwiderte Ronin. »Aber wir werden dadurch andere auf uns aufmerksam machen.«
»Seht mal dort!«, rief Hana.
»Pst!«, mahnte der Mönch, der neben ihr stand. »Nicht so laut.«
»Oh, Entschuldigung«, murmelte Hana. Stumm winkte sie Jack und Ronin zu einem großen hölzernen Pfeiler am hinteren Ende der Halle.
Der Pfeiler war so dick wie eine alte Eiche und hatte an seinem Fuß ein Loch, das sich komplett durch ihn hindurchzog. Während Ronin und Jack sich ihm näherten, bedankte Hana sich bei dem Mönch, mit dem sie sich offenbar unterhalten hatte, und verabschiedete sich mit einer Verbeugung.
»Das ist unglaublich!«, sagte sie leise. »Dieses Loch hat genau dieselbe Größe wie das Nasenloch der großen BuddhaStatue. Wer es schafft, hindurchzukriechen, den segnen die Götter mit Glück und er ist im nächsten Leben erleuchtet.«
»Pah!«, schnaubte Ronin verächtlich.
Doch Hana ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie kniete sich hin und kroch in das Loch. Gleich darauf tauchte sie auf der anderen Seite wieder auf.
»Ich bin erleuchtet. Wer ist der Nächste?«
»Nach dir, Ronin«, sagte Jack.
»Ich glaube nicht an Götter«, brummte Ronin. »Und sie glauben ganz gewiss nicht an mich.«
Jack fand, er hatte nichts zu verlieren. Außerdem fiel ihm ein, dass der Rätselmönch von der Nase Buddhas gesprochen hatte. Damit musste er diese gemeint haben. Er kniete sich hin und blickte durch das Loch. Es war viel enger, als er vermutet hatte. Dann vergewisserte er sich rasch, dass niemand ihm zusah, gab Hana seinen Hut und Ronin die Schwerter und zwängte sich mit den Armen voraus hinein. Auf
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