Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
und ausgeraubt. Die Suche nach meinen Habseligkeiten hat uns hierher geführt.«
Der Daimyo seufzte in gespieltem Mitleid. »Welch ein Jammer! Was genau vermisst du denn?«
»Zum Beispiel den Inro an Eurem Gürtel.« Jack wies mit einem Nicken auf den lackierten Behälter. »Einer Eurer Samurai hat ihn mir gestohlen.«
»Das ist eine schwere Anschuldigung. Den Inro hat mir mein Berater Kanesuke-san geschenkt.« Sanada deutete mit einem Kopfnicken auf den kahlköpfigen Gefolgsmann. »Willst du etwa behaupten, er sei ein Dieb?«
»Fragen wir ihn doch selbst, woher er ihn hat«, entgegnete Jack.
Kanesuke lief vor mühsam unterdrückter Wut rot an, doch Daimyo Sanada blickte noch nicht einmal in seine Richtung. »Warum sollte ich das tun? Schließlich bist du hier der Schuldige!«
»Aber diesen Inro hat mir Daimyo Takatomi geschenkt! Zum Dank dafür, dass ich ihm das Leben gerettet habe, als der Ninja Drachenauge ihn überfiel …«
»Daimyo Takatomi?«, fiel Sanada Jack ins Wort. Sein Interesse war plötzlich geweckt. »Ein höchst ehrenwerter und weiser Mann. Er sitzt im Rat des Shoguns neben mir. Und ich meine mich tatsächlich zu erinnern, dass er im Rat zu deiner Verteidigung von einem solchen Vorfall gesprochen hat. Doch wenn der Inro wirklich dir gehört, musst du mir das beweisen.« Er machte den Inro vom Gürtel los und drückte ihn an seine Brust. »Beschreibe mir, was darauf abgebildet ist, und ich glaube dir.«
Jack nickte.
»Wenn du das nicht kannst«, fügte der Daimyo hinzu und kniff die Augen zusammen, »dann hat Kanesuke das Vergnügen, dem Mädchen die rechte Hand abzuschlagen.«
Ein Wächter packte Hana, löste ihre Fesseln und zwang sie, den Arm auszustrecken. Kanesuke ließ sich das Kurzschwert eines anderen Wächters geben und legte es mit der Schneide nach unten auf Hanas Handgelenk.
Hana sah Jack mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund flehend an.
»Ein Kirschbaum!«, rief Jack hastig. »In Gold und Silber.«
Der Daimyo verzog keine Miene. »Das kannst du auch beim Hereinkommen gesehen haben.«
»Die Blüten sind mit Elfenbein eingelegt!«
»Ich bin immer noch nicht überzeugt.«
»Aber ich habe Euch gesagt, was darauf zu sehen ist!«, beharrte Jack.
Kanesuke hob sein Schwert und Hana schrie auf.
»Dann sage mir noch eins, Gaijin: Wie viele Vögel sitzen auf dem Baum?« Der Daimyo lächelte verschlagen.
Jack versuchte angestrengt, sich zu erinnern. Sein Kopf war mit einem Mal ganz leer. Hanas Schrei ging in ein jämmerliches Wimmern über. Kanesuke packte sein Schwert fester und machte sich bereit, zuzuschlagen. Hana wurde totenblass.
»Wartet!«, rief Jack, der plötzlich die List des Daimyo durchschaute. »Gar keine!«
Kanesuke sah seinen Herrn um Erlaubnis suchend an, aber das Lächeln Sanadas wich einer finsteren Miene. »Stimmt.«
Von Wut auf Jack übermannt, schickte sich Kanesuke an, Hana die Hand trotzdem abzuschlagen.
»Nein!«, befahl Sanada und sah ihn böse an. »Der Gaijin hat die Prüfung bestanden. Es sieht so aus, als habe er tatsächlich die Wahrheit über den Inro gesagt.«
Kanesuke schien unter dem strengen Blick seines Herrn sichtbar zu schrumpfen. Er übergab das Schwert wieder dem Wächter und kehrte mit gesenktem Kopf an seinen Platz zurück. Hana legte erleichtert ihre Hand an die Brust.
Der Daimyo betrachtete eingehend den Inro in seiner Hand. »Ich würde ihn dir ja gern zurückgeben«, fuhr er fort, »aber dort, wohin du gehst, wirst du keine Verwendung mehr dafür haben.« Er gab den Inro einem anderen Mann aus seinem Gefolge. »Wir haben hier also deinen Inro und natürlich deine Schwerter … Aber was hat es mit diesem Buch auf sich, diesem sogenannten Portolan?«
Jack sah ihn mit offenem Mund erschrocken an. »Ihr habt ihn?«
Der Daimyo schüttelte langsam den Kopf. »Ich hoffte, du hättest ihn. Der Shogun hat um seine Rückgabe gebeten.«
»Rückgabe?«, rief Jack. »Aber er gehört mir! Ich habe ihn von meinem Vater bekommen.«
»Du beanspruchst viel«, sagte der Daimyo. Er trat zu einem kleinen, hölzernen Tischchen und schnalzte enttäuscht mit der Zunge. »Schade, dass du ihn nicht mehr hast. Der Shogun wäre mir sehr dankbar gewesen, wenn ich ihn hätte beschaffen können.«
Zu seiner Überraschung war Jack fast erleichtert, zu hören, dass der Portolan nicht aufgetaucht war. Der Shogun durfte ihn auf keinen Fall in die Hände bekommen. Vielleicht hatte Botan ihn noch. Wenn er ihn nicht verkauft oder weggeworfen oder damit
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