Samurai 5: Der Ring des Wassers (German Edition)
Stellungen erlaubten – und zeigte ihm, wann es besser war, eine Gruppe zu opfern, um auf einem wichtigeren Gebiet tätig zu werden.
Jack drohte der Kopf zu platzen, so vieles galt es zu berücksichtigen. Er verstand zwar den grundsätzlichen Spielablauf, konnte aber noch keine eigenen Strategien entwickeln. Go war tatsächlich viel komplizierter, als es auf den ersten Blick schien.
»Du musst dich noch deutlich steigern!«, schimpfte Ronin. »Du darfst dich nicht auf einzelne Konflikte konzentrieren, sondern musst stets das Ganze im Auge behalten und auf Konstellationen und Formationen achten wie ein Feldherr in einer Schlacht, in der viele einzelne Kämpfe gleichzeitig stattfinden.«
Sie begannen eine neue Partie. Jack war so konzentriert, dass er gar nicht merkte, wie die Zeit verging, bis schließlich ein Diener mit dem Mittagessen erschien, das nur aus Reis und Wasser bestand. Sie spielten sogar beim Essen weiter.
Ronins Rat folgend, betrachtete Jack Go als Kampfkunst und versuchte die Technik der beiden Himmel auf das Spiel anzuwenden. Statt seine Aufmerksamkeit auf zwei Schwerter zu richten, richtete er sie auf zwei verschiedene Bereiche des Bretts. Er verwandelte das Spiel in Gedanken in einen Kampf gegen vier Gegner gleichzeitig und konnte allmählich erste Erfolge gegen Ronin verbuchen. Zuerst nahm er eine ganze Gruppe Ronins gefangen, dann gelang ihm eine Gruppe mit zwei »Augen« und zuletzt fiel er auch noch in Ronins Gebiet ein!
»Ich glaube, du gewinnst!«, rief Hana aufgeregt. Und mit einem Blick auf Ronins ernstes Gesicht fügte sie hinzu: »Jack gewinnt doch … oder?«
Ronin betrachtete das Spielbrett und wollte gerade antworten, als sich Kanesuke auf leisen Sohlen dem Teehaus näherte. Auf seinem faltigen Gesicht lag ein verschlagenes Grinsen.
»Darf ich bitten?«
38
Eine Partie Go
Auf dem schwarz-weiß gefliesten Platz in der Mitte des Gartens stand ein Tisch. Der Daimyo saß in einem reinweißen Hosenrock und mit ernstem Gesicht, wie es sich für eine Partie Go gehörte, an der einen Seite. Jack saß ihm gegenüber, ebenfalls mit ernstem Gesicht, und versuchte krampfhaft seine Nervosität zu unterdrücken. Für den Daimyo war das Ganze trotz seiner feierlichen Miene nur ein Spiel, für Jack dagegen ging es um Leben und Tod.
Ronin und Hana knieten, von sechs Samurai bewacht, am Rand der Fliesen. Kanesuke nahm, nachdem er seinem Herrn Tee serviert hatte, respektvoll in einiger Entfernung als Schiedsrichter Aufstellung.
»Ich freue mich auf unsere Partie, auch wenn sie vielleicht schnell vorbei ist«, eröffnete Daimyo Sanada das Spiel und nahm einen Schluck Grüntee. »Dabei interessiert mich vor allem, wie ein Ausländer das Spiel strategisch angeht.«
Seine Grausamkeit verschlug Jack die Sprache. Der Daimyo spielte mit ihrem Leben, nur um seine Neugier zu befriedigen!
»Da du jetzt zum ersten Mal richtig spielst und ich fair bin, kannst du Schwarz haben. Ich gebe dir außerdem vier Steine Vorsprung.«
Jack sah Ronin fragend an.
»Du kannst in jede Ecke auf den dritten Schnittpunkt von außen einen Stein legen, bevor der Daimyo den ersten Stein setzt. Das verschafft dir eine gute Ausgangsposition in allen wichtigen …«
»Genug!«, fiel der Daimyo ihm mit erhobener Hand ins Wort. »Die Erklärung der Regeln ist erlaubt, weitere Ratschläge nicht!«
Jack legte seine ersten vier Steine, wobei er darauf achtete, sie jeweils zwischen Zeige- und Mittelfinger zu halten. Der Daimyo nahm es mit einem wohlwollenden Nicken zur Kenntnis und legte dann lautlos seinen ersten Stein in die linke obere Ecke des Bretts.
»Der Kampf ist eröffnet.«
Beim ersten Dutzend Züge folgte Jack der mit Ronin im Voraus besprochenen Eröffnungsstrategie. Er versuchte seinen Einfluss in der unteren rechten Hälfte des Bretts auszubauen und überließ dem Daimyo die obere linke. Dann versuchte er, Weiß aus der unteren Hälfte auszuschließen, aber der Daimyo konterte und setzte einen weißen Stein neben einen schwarzen Stein und verringerte damit dessen Freiheiten. Dann griff er erneut an und besetzte noch eine weitere Freiheit. Jack musste seinen Stein daraufhin stärken, indem er eine Kette von zwei schwarzen Steinen bildete.
So ging die Partie eine Weile weiter. Jeder Spieler steckte auf verschiedenen Bereichen des Bretts sein Territorium ab, fiel gelegentlich in das gegnerische Gebiet ein und drohte, Gefangene zu machen.
Der Daimyo seufzte zufrieden.
»Eine Partie Go ist wie ein Kunstwerk. Das
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