Samurai 7: Der Ring des Windes (German Edition)
Anblick – ein wilder Drache mit einem gepanzerten und mit Stacheln bewehrten Rücken, einem gehörnten Kopf und rasiermesserscharfen Zähnen, groß wie Sicheln, der Feuer spuckte. Im nächsten Augenblick ging der Mast des Goldenen Tigers in Flammen auf.
»Ein Seedrache!«, schrie ein Matrose mit weit aufgerissenen Augen.
Ungläubig starrte Jack die Erscheinung an und zerrte an der Pinne, um ihren Kurs zu ändern. Der Goldene Tiger hatte zum Glück noch genügend Schwung. Er drehte ab und hielt wieder auf das offene Meer zu. An Flucht war freilich nicht mehr zu denken. Das Segel stand in Flammen, der Goldene Tiger war seines Antriebs beraubt.
»Kappt die Taue!«, befahl Jack und übergab die Pinne dem Kapitän. »Sonst geht das ganze Schiff in Flammen auf.«
Miyuki rannte über das Deck dorthin, wo sie ihr Gepäck verstaut hatten. Sie zog den Sack heraus und verteilte die Waffen an Saburo, Yori und Jack. Der Kapitän hatte keine Zeit, sich zu wundern, woher seine Pilger-Passagiere Samurai- und Ninja-Schwerter hatten. In Panik bewegte er das Ruder hin und her, um den Goldenen Tiger vom Horst des Seedrachen wegzusteuern.
Ein Funkenregen ging auf das Deck nieder. Jack zog sein Langschwert und durchtrennte mit einem sauberen Schnitt das erste der Taue, die das brennende Segel hielten. Miyuki tat auf der anderen Seite dasselbe.
»Räumt das Deck!«, rief Jack warnend und kappte das letzte Tau.
Das Segel fiel wie ein sterbender Phönix vom Himmel. Funken stoben wie Glühwürmchen in alle Richtungen, dann tauchte ein Teil des Segels prasselnd und zischend in das Wasser ein.
Der andere Teil lag lichterloh brennend auf dem Deck.
Yori wollte es mit seinem Pilgerstock über die Reling hieven. Saburo und zwei Matrosen eilten ihm zu Hilfe. Sie ergriffen einige an Bord befindliche Bambusstangen und schoben mit aller Macht. Das Segel rutschte über die Reling und das Tosen der Flammen verstummte. Dunkelheit hüllte sie ein und eine gespenstische Stille senkte sich über das Schiff – zu hören war nur noch das Glucksen der Wellen am Rumpf.
»Wo ist der Seedrache?«, fragte Saburo atemlos und versuchte die schwarzen Tiefen der Höhle mit seinem Blick zu durchdringen.
Nach und nach gewöhnten ihre Augen sich an die Dunkelheit. Jack und Miyuki sahen sich um. Von Backbord näherte sich ein großer Schatten.
Inmitten des Chaos hatten die Windpiraten sie unbemerkt eingeholt.
Sie gingen längsseits und das Deck ihres Schiffes ragte hoch über dem Goldenen Tiger auf. Ohne Vorwarnung klappten einige Abschnitte der Bordwand herunter und zertrümmerten die Reling des Goldenen Tigers. Gewaltige eiserne Stacheln bohrten sich in das Deck und hielten das Schiff fest. Im nächsten Augenblick schwärmten schwarze Schatten über die Brücken und sprangen auf das manövrierunfähige Frachtschiff.
Ein Matrose schrie auf. Aus seiner Brust ragte die stählerne Spitze eines Schwerts. Er spuckte Blut und bracht tot auf dem Deck zusammen. Hinter ihm stand geduckt ein Ninja. Sein Schwert glänzte nass.
Jack war vor Angst wie erstarrt. Er durchlebte noch einmal den Albtraum jener schicksalhaften Nacht vor vier Jahren, als Ninja-Piraten die Alexandria angegriffen und die gesamte Besatzung getötet hatten. Den herzzerreißenden Moment, als sein Vater brutal von Drachenauge ermordet worden war. Wieder fühlte Jack sich als der hilflose Junge von damals – der Junge, der den Tod seines Vaters nicht hatte verhindern können. Doch dann fiel ihm ein, dass er nicht mehr dieser Junge war. Er war ein Samurai und ein Ninja. Schlagartig erwachte er aus seiner Lähmung, stürzte sich mit gezückten Schwertern auf die Gegner und schrie: »Schlagt die Angreifer zurück!«
Die von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleideten Winddämonen waren so gut wie unsichtbar – nur die Klingen ihrer Schwerter blitzten im Mondlicht silbern auf. Mit einem Sprung zur Seite rettet Jack sich vor einem Schwert, das nach seinem Hals schlug. Er wehrte den Angreifer mit seinem Kurzschwert ab und schlug zugleich mit dem Langschwert zu. Doch der Ninja wich so mühelos zurück wie ein vom Wind bewegtes Blatt und holte erneut zu einem tödlichen Streich aus.
Yori eilte Jack zu Hilfe und bohrte dem Ninja-Piraten die Eisenspitze seines Pilgerstocks in den Rücken. Von der Wucht des Stoßes betäubt, traf der Pirat Jack nicht. Zugleich versetzte Jack ihm mit aller Kraft einen Seitwärtstritt. Der Pirat taumelte gegen die Reling. Nach einem weiteren Stoß von Yoris Stock kippte er
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