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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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dass wir miteinander redeten.
    „Ist sie getürmt?“, fragte ich.
    „Das weiß niemand.“
    „Und ihre Freundin? Ann?“
    „Sie ist auch draußen und sucht“, sagte Mats.
    „Und warum sucht ihr nicht?“, fragte ich.
    „Wir ... wissen vielleicht, wo sie ist“, sagte
Lennart.
     
    Sie hatten es weder der Alten noch den
Betreuerinnen erzählen wollen. Und auch nicht Christian.
    „Ist der wieder da?“, fragte ich.
    „Gestern Abend wiedergekommen“, sagte Lennart. „Oder in der Nacht.“
    „Ich hab ihn heute Nacht gesehen“, sagte Sven-Äke. „Vorm Fenster.“
    „Welchem Fenster?“, fragte ich.
    „Natürlich vor unserem“, sagte Sven-Äke. Er meinte das Fenster in
seinem Schlafsaal, der gegenüber von meinem war, genau über Kerstins. „Er saß
auf dem Karussell und hat geraucht. Ich meinte, ein Quietschen gehört zu haben,
und hab aus dem Fenster geguckt. Da saß er und glotzte herauf, als suchte er
etwas. Ich hatte Angst, er könnte mich gesehen haben.“
    „Bist du sicher, dass er euer Fenster beobachtet hat?“, fragte ich.
    „Wie meinst du das?“
    „Die Mädchen“, sagte ich. „Er hat zu ihren Fenstern geschaut.“
    „Jetzt kapier ich gar nichts mehr“, sagte Klops.
„Dein Glück“, sagte ich.
    „Hm“, machte er. Vielleicht kapierte er es doch
langsam. „Irgendwas ist faul“, sagte Lennart. „Mit Christian.“
    „Hat das denn was mit Kerstin zu tun?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Du hast gesagt, dass du vielleicht weißt, wo sie ist“, fuhr ich fort.
„Wo ist sie also?“
    „Draußen im Wald.“
    „Woher wisst ihr das?“
    „Wir haben sie gesehen. Klops hat sie gesehen.“
    „Sie ist wie ein Reh gelaufen“, sagte Klops.
    „Wann war das?“
    „Ist schon ein paar Stunden her.“
    „Warum seid ihr nicht hinterhergelaufen?“
    „Ich wusste ja nicht, dass sie floh“, sagte Klops. „Ich hab sie nur
laufen sehen. Hier laufen doch alle, Kenny.“ Er sah die anderen an. „Aber als
es hieß, dass sie verschwunden ist, wurde es mir klar.“
    Ich dachte an Kerstin. Bestimmt konnte sie laufen wie ein Reh oder ein
Pony, und ihre Haare würden im Wind flattern wie eine weiße Pferdemähne.
    „Sah sie aus, als hätte sie Angst?“, fragte ich. „Als sie lief?“
    Klops zuckte mit den Schultern.
    „Aber ihr wusstet, dass ihr es den Erwachsenen nicht erzählen
durftet?“
    Plötzlich bekam ich einen ganz kalten Nacken, meine Haare schienen
sich zu bewegen, als wollten sie sich aufrichten. Wie in einem Albtraum oder
als würde ich gerade daraus erwachen. Was war eigentlich passiert, während
Janne und ich in der Stadt waren?
    „Die haben ... komisch ausgesehen“, sagte Lennart, „die Alte und
Christian.“
    „Wie? Wann?“
    „Als sie sagten, wir sollten sie suchen. Ich weiß nicht ... die Alte
kam aus ihrem Zimmer und Christian kam nach ihr raus und beide sahen ... tja,
eben komisch aus.“
    „Komisch?“, fragte ich. „Wie komisch?“
    „Als ob sie was ... wüssten.“ Lennart
sah die anderen an. „Ist das nicht seltsam? Aber irgendwie schienen sie was zu
wissen.“
    „Wissen? Was?“
    „Warum Kerstin weggelaufen ist natürlich. Und dass sie abgehauen war.“
    „Sie ist doch wohl aus demselben Grund abgehauen wie wir alle gern
abhauen würden“, sagte Sven-Äke. „Niemand mag hier sein.“
    „Ich weiß nicht“, sagte Lennart, „die Alte sah irgendwie ...
erschrocken aus.“
    „Wollen wir jetzt nicht endlich Kerstin suchen?“, sagte ich.
     
    Es hatte genauso schnell aufgehört zu regnen wie es angefangen hatte.
Die Wolken jagten über den Himmel, unterwegs zu einem anderen Land. Auf dem
Hof standen große dunkle Wasserlachen, aber sie würden bald verdunsten. Das
Karussell war von Wasser umgeben, wie von einem Wallgraben. Ich hatte vorher
nie darüber nachgedacht, dass der Graben so tief geworden war, weil alle Kinder
in all den Jahren ihre Spuren hinterlassen hatten, wenn sie sich abgestoßen
hatten, um das Karussell in Schwung zu setzen. Vielleicht war dieser Wallgraben
schon hundert Jahre alt.
    Der Wald war vollkommen verändert. Er war dunkler, nasser.
    „Sie ist in die Richtung gelaufen.“ Klops zeigte in die Dunkelheit
hinein.
    Die Sonne war hinter den Wäldern auf der anderen Seite des Sees
verschwunden. Wir hätten eine Taschenlampe gebraucht. Der Himmel war nur ein
kleines Loch zwischen den Tannenwipfeln, die sich über uns neigten. Ein schwarzer
Vogel flatterte dort oben wie ein Drache vorbei.
    Wir gingen tiefer in den Wald hinein. Der Vogel

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