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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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beinahe klangen wie der Basso ostinato eines fernen Chors. Robben. Sie bellten. Oder nein: sie sangen. Sie sangen ihre uralten Lieder über das Meer und die Insel und was noch? Über die Fische. Sie sangen über die Fische, den Gott der Fische, den Ernährer und Erhalter all der blinkenden, blitzenden Schwärme im Meer. Marantha versuchte, sie sich vorzustellen. Sie hatte in San Francisco welche gesehen, sie hatten reglos auf den Felsen am Rand der Bucht gelegen: dunkelbraune, schwarze, hellbraune, beinahe weißgebleichte Wesen. Sie hatten niemandem gehört. Doch diese Robben – was für ein eigenartiger Gedanke –, diese Robben, die in der Ferne sangen, gehörten ihr.

DIE HERDE
    Sie ging von der Küche durch den Flur zum großen Zimmer (das würde ihr Salon sein, ihr Salon und Esszimmer) und begann, in den Kisten nach ihrem Geschirr und Besteck zu suchen – und die Bettwäsche, wo war die Bettwäsche? Die Männer hatten alles stehen- und liegenlassen, es war ein großes Durcheinander, genau wie Ida gesagt hatte, und leider war alles nass geworden. Die Tinte auf den Kisten, die sie in Santa Barbara so sorgfältig gepackt und beschriftet hatte, an langen, beschwerlichen Nachmittagen, als sie kaum imstande gewesen war, sich auch nur aus dem Bett zu erheben, war verlaufen und verschmiert. Sie waren jetzt draußen, die Männer – sie konnte sie durch das Fenster sehen, Will, Adolph und Jimmie, ihre Köpfe und Schultern waren mit Sonnenlicht überglänzt –, und sie schienen irgendwas mit dem Maultier und dem Schlitten zu machen. Aber es waren jetzt zwei Maultiere, und ein Pferd war auch da, und jetzt drehte Will sich um und nahm etwas Dunkles, Weiches, Schimmerndes, das über dem Zaun hing, und warf es dem Pferd auf den Rücken. Es war ein Sattel, die Steigbügel baumelten, und das Tier zuckte überrascht zusammen. Und Marantha war ebenfalls überrascht, denn sie sah, dass auch ein Hund da war, ein gescheckter Hirtenhund mit ungleichen Augen, dessen Schwanz im Staub hin und her wedelte.
    Ein Hund. Ein Pferd. Robben. Sie konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, was diese Überfülle als nächstes für sie bereithielt. Und was war mit der Sonne – gehörte die auch ihr? Oder jedenfalls das, was sie bewirkte, die Kraft, die sie dem Gras gab, damit es wachsen konnte, so dass die Schafe es fressen und darauf herumtollen konnten und ihr Fell immer dichter wurde? Die Erde, die Erde gehörte ihr. Oder die Hälfte davon. Oder nein: ein Viertel, wenn man Hiram Mills mit einrechnete. Und Mrs. Mills. Ihr gehörte ebenfalls ein Viertel. Sie waren wie vier Götter, sie bildeten ihren eigenen Pantheon.
    Sie ging zur Vordertür – es machte nichts, dass sie so schlecht gezimmert war –, stieß sie auf und trat ins blasse Sonnenlicht. Der Wind hatte sich gelegt. Es war beinahe warm. Alle Gerüche der Natur strömten auf sie ein, als hielte ihr jemand ein Riechfläschchen an die Nase – der Vorplatz, die Wildblumen auf den Hügeln, Salbei, Lupine, das Meer –, und es war, als hätte sie bisher nie wirklich gelebt, denn dies war nicht die fade, verbrauchte Luft der Salons, der Restaurants, der öffentlichen Bibliotheken, der Arztpraxen oder irgendwelcher anderer ummauerter Räume. Nein, dies war anders. Es war ursprünglich. Rein. Frisch. Frische Luft, die ihr Heilung bringen würde. Es stimmte, alles, was Will ihr gesagt hatte, stimmte. Wie hatte sie je an ihm zweifeln können?
    »Will!« rief sie und sah, wie er sich von dem Pferd abwandte und sich umblickte, das Gesicht unbewegt, denn er wusste nicht, was jetzt kam – Klagen, Forderungen, Ärger –, und bevor sie einen anderen Gedanken fassen konnte, raffte sie die Röcke, damit die Säume nicht im Schmutz schleiften, und ging über den Vorplatz auf ihn zu. Der Rancharbeiter und der Junge standen da wie erstarrt. Der Hund hob den Blick. »Will«, sagte sie, »es ist herrlich. Alles ist herrlich. Ich bin einfach ... Hast du nicht gesagt, wir würden einen Ausflug machen?«
    Diesmal waren drei Stühle auf den Schlitten gebunden: zwei Schaukelstühle für sie und Ida und ein einfacher Stuhl für Jimmie, der kutschieren sollte. »Ich hab die Maultiere ausgetauscht«, sagte Will, als sie auf dem Vorplatz standen, allesamt noch in Reisekleidern, denn es hatte keinen Sinn gehabt, etwas Frisches anzuziehen, jedenfalls nicht vor dem Essen. »Ich habe General Meade vor den Schlitten gespannt, weil er stärker, wenn auch unberechenbarer ist als Plum, den ich, wie ihr seht«

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