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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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verstehen schon: wegen dem Baby.«
    Alle drei trugen sie Schwimmwesten. Marianne war so winzig, dass ihre Weste aussah wie eine Wiege, in der man sie festgebunden hatte, ein verschnürtes Nest, an dem Herbie eine halbe Stunde gearbeitet hatte. Er hielt mitten in einem Monolog über die Wunder der Insel inne, um dem Mann für seine Umsicht zu danken und ihm detaillierte Anweisungen zu geben, welchen Punkt am Strand er ansteuern und wie er den Takt der Wellen berechnen sollte. Der Matrose sagte nichts. Herbie kroch zum Bug, um mit der Lampe zu leuchten. Sobald er sie einschaltete, erwachte der weite Halbkreis des Strandes zum Leben, als sähen sie ihn auf einer Kinoleinwand: blasse Braun- und Gelbtöne und weißer Schaum, und weiter hinten war der Weg hinauf zum Haus wie eine gezackte schwarze Linie.
    Dann knirschte es unter dem Kiel, der Matrose sprang aus dem Boot, um es aus der Brandung zu ziehen, und Herbie stand knietief im Wasser, nahm Marianne entgegen und brachte sie an Land. Rasch und mit geübten Griffen luden sie ihre Sachen aus – Babykleidung, Lebensmittel und das, was sich in den zwei Monaten auf dem Festland angesammelt hatte –, und der Matrose half ihnen wortlos. Als alles ausgeladen war, fragte er sie, ob er ihnen helfen solle, es hinauf zum Haus zu bringen, doch Herbie sagte nur: »Nochmals danke, aber wir kommen schon zurecht. Wir leben ja hier.«
    Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Marianne schlief in Elises Armen, die auslaufenden Wellen zischten über den Sand und luden rasselnd ihre Last aus Muscheln und Kieselsteinen und all dem anderen Zeug ab, das die aufkommende Flut mitbrachte. Der Matrose zog noch einmal an seiner Zigarette, so dass die Glut kurz sein Gesicht beleuchtete – ein unbekanntes, beliebiges Gesicht –, und schnippte die Kippe funkensprühend fort. »Ja«, sagte er schließlich, »jeder nach seinem Geschmack. Aber viel Glück, hm?«
    »Ihnen auch«, sagte Herbie.
    Im nächsten Augenblick war das Boot wieder im Wasser und wurde von einer Welle emporgehoben. Die Ruder waren abgespreizt und sahen aus wie die Beine eines Wasserläufers, und die weiße Mütze des Mannes war das einzige, was man erkennen konnte, bis auch sie von den Schatten verschluckt wurde. Herbie nahm seinen Rucksack und leuchtete ihnen mit der Lampe, und dann gingen sie durch den schmalen, in die Nacht gegrabenen Tunnel aus Licht den Weg hinauf. Er schüttelte den Kopf, eine undeutliche Bewegung im Dunkel, und sein Gesicht wurde vom Widerschein gespenstisch beleuchtet. »Herrgott, ist das gut, dass wir das alles hinter uns haben, nicht? Dieses Gewimmel, diese Hektik, und alle rennen herum, als gäb’s kein Morgen. Ich schwöre, ich gehe nie wieder von hier weg«, sagte er, »ganz gleich, was passiert.« Er blieb stehen, und sie sahen zurück: Dort glitten die Positionslichter der Hermes durch die Schwärze des Ozeans. »Leb wohl, liebe Welt«, rief er. »Von mir aus kannst du ruhig untergehen.«
    Sie stolperte und drückte das Baby an sich. Er streckte den Arm aus, um sie zu stützen.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja«, murmelte sie, und ein eben noch wahrnehmbares Beben, ein Schauer der Zufriedenheit überlief sie, als ihr bewusst wurde, dass das stimmte, dass es vielleicht das Wahrste war, was sie je gesagt hatte.

DIE JAPANER
    Früher waren es die Chinesen gewesen, das hatte Jimmie ihr jedenfalls erzählt. Sie waren hergekommen, zu allen Inseln eigentlich, aber besonders nach San Miguel, um Abalonen zu sammeln, auch wenn die ihnen gar nicht gehörten, weil sie ja Fremde waren und ohnehin keinen Pachtvertrag hatten. Und sie schlachteten Schafe und ließen die verkohlten Überreste liegen – die Felle interessierten sie nicht, die warfen sie einfach weg, mit Haut und allem, stinkend und voller Maden. Und jetzt waren es die Japaner. Ihre Fischkutter und Langleinenfischer kamen den weiten Weg von Japan hierher, weil der Kanal reich an Fischen war, die sie unbedingt haben wollten: Hier gab es Thunfisch, Makrelen und Heilbutt, deren Bestände in ihren eigenen Gewässern längst überfischt waren. Jimmie mochte sie nicht. Herbie mochte sie sowieso nicht. Was sie selbst betraf, so war sie indifferent: Sie war noch nie einem Japaner begegnet, und es war ja allgemein bekannt, dass jeder, ganz gleich, woher er stammte, Gutes und Schlechtes in sich hatte.
    Sie war überrascht, als gegen Ende des Frühlings, ihres zweiten Frühlings auf der Insel – Marianne wuchs und brabbelte vor sich hin und war immer bei ihr,

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