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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ihnen, die Gans reckte sich nach der Lampe und versuchte, ihre Besucher ins Auge zu fassen. »Und Elise. Elise natürlich. Die beste Frau der Welt. Wunderbar. Einfach wunderbar. Findest du nicht auch, George? Ist sie nicht wunderbar?«
    »Ja, allerdings.«
    »Und du, das meine ich wirklich ernst, du bist der beste, der großzügigste – «
    »Herbie«, sagte sie so sanft wie möglich, »meinst du nicht, wir sollten lieber wieder hineingehen?« Sie versuchte, das Ganze komisch zu nehmen: »Schon wegen unserer Gans. Am Dienstag ist ihr großer Tag, da braucht sie jetzt ihren Schlaf.«
    »Ihren Schönheitsschlaf.«
    »Genau, ihren Schönheitsschlaf.« Sie lachte. Und George, der taktvolle George, stimmte mit ein.
    »Aber das ist ja gar keine Gans«, sagte Herbie. Seine Stimme klang dick, wie zu einer Art Schluchzen geronnen. Er hatte zuviel getrunken, sie alle hatten vielleicht zuviel getrunken, denn es war Weihnachten, beinahe jedenfalls, und es gab etwas zu feiern. »Keine Gans«, sagte er, lauter jetzt, und in seiner Stimme war plötzlich ein Anflug von Zorn.
    »Wie meinst du das?« fragte George. Aller Blicke folgten dem Strahl der Taschenlampe zu dem schräggelegten Kopf des Tiers und seinem gelben, festgeschlossenen Schnabel.
    »Es ist ein Ganter«, rief Herbie. »Seht ihr denn nicht, wie groß er ist? Und dieser dicke Hals. Ein Ganter ist keine Gans – ein Ganter ist ein ... ein Ganter !«
    George konnte nicht über die Feiertage bleiben, er wurde im Bonnymede Drive erwartet, wo er im Familienkreis Weihnachten feiern würde, und das war ja auch verständlich. Obwohl der Wind böig war und die Gefahr bestand, dass die Waco Cabin während des Starts umgeworfen wurde, holperte George am nächsten Morgen über die Piste, hob ab und war verschwunden. Sie und Herbie standen Arm in Arm da und sahen dem Flugzeug nach. Sie hatten ihren Baum und ihre Geschenke – er wollte sie mit einem Grammophon und drei Schallplatten überraschen, darunter eine von einem dreißigjährigen chilenischen Genie eingespielte Aufnahme von Klavierstücken von Beethoven, auf deren Hülle er in seiner ordentlichen, rundlichen Schrift geschrieben hatte: Für Elise – und das noch viel größere Geschenk: ihre Töchter, die am Weihnachtsmorgen erwachen und sehen würden, was der Weihnachtsmann ihnen gebracht hatte. Und sie hatten die Gans oder vielmehr den Ganter, der den Kopf reckte und zischend und quarrend über den Hof lief, der Herrscher über dieses Reich, dem als Herbies besonderer Liebling ein langes, glückliches Leben bevorstand, während sie den Ofen schürte und Holz nachlegte, so dass die Temperatur knapp unter zweihundert Grad lag, genau richtig für eine Lammkeule.

DIE SCHWEIZER FAMILIE LESTER
    Die Jahre gingen dahin – 1935 , 36 , 37 , 38 –, die Welt dort draußen taumelte auf die nahende Katastrophe zu, Spannungen zu Land und zu Wasser, Tojos Truppen standen in Schanghai, und Hitler hatte ein begehrliches Auge auf das Sudetenland geworfen. Im Haus der Lesters herrschte Frieden. Das Grammophon ließ die Melodien der Zivilisation an einem Ort erklingen, wo seit Urzeiten das gelegentliche Gitarrengeklimper eines Schäfers oder das Schnarren einer indianischen Rassel an einem Lagerfeuer die einzige Musik gewesen war, und sie und Herbie und die Mädchen hörten sich die Beethoven-Aufnahmen an, bis die Platte so abgenutzt war, dass man hätte glauben können, sie sei während eines Bombenangriffs aufgenommen worden. Im nächsten Jahr fügte sie ihrer schmalen Schallplattensammlung Borodins Streichquartett Nr. 2 und Mozarts Requiem hinzu, auch wenn Herbie behauptete, diese Musik mache ihn so traurig, dass er sie kaum ertragen könne. Trotzdem war es schön, abends etwas anderes als den Wind zu hören, wenn sie Karten spielten oder einander am Kamin etwas vorlasen – und außerdem: Gehörten denn nicht Traurigkeit und die Fähigkeit, tief zu empfinden, zu den Dingen, die einen überhaupt erst zum Menschen machten? Und Freude, natürlich, Freude auch. Dafür hatte sie das »Jubilate«.
    Als nächstes kam ein Radio. Oder vielmehr der Generator, der den Strom produzierte, ohne den das Radio nichts weiter als ein Möbelstück war. Ihre Mutter, die noch immer nicht aufhörte, sich Sorgen zu machen, schickte es ihnen, einen großen, glänzenden Zenith Tombstone, den George tatsächlich in seinem Flugzeug zu ihnen transportierte, doch der Apparat blieb stumm, bis der Generator in Betrieb genommen wurde und das erste zaghafte Pfeifen

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