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San Miguel: Roman (German Edition)

San Miguel: Roman (German Edition)

Titel: San Miguel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sich an die Arbeit zu machen, und binnen kurzem sah es dort halbwegs erträglich aus, auch wenn die Küche nie sein würde, was irgend jemand, und sei es ein Blinder, als sauber bezeichnet hätte – dazu hätte man die Wände, den Boden und die mit Fliegendreck gesprenkelten Deckenbalken herausreißen und verbrennen und anschließend Zimmerleute holen müssen, damit sie eine neue Küche bauten. Meist überließ sie Ida die Zubereitung des Abendessens – wenn sie auf Genesung hoffen wollte, musste sie jede Anstrengung vermeiden, hatten die Ärzte gesagt, und gegen Abend war sie stets am Ende ihrer Kräfte –, doch als Jimmie und Adolph eines Morgens ein Dutzend Hummer brachten, die sich in den Fallen gefangen hatten, ließ sie es sich als wahre Tochter Neuenglands nicht nehmen, ihnen zu zeigen, wie diese Tiere fachgerecht zubereitet wurden.
    Will hatte den Geräteschuppen fertiggestellt und einen Teil der Zäune repariert, und nun arbeitete er mit den Männern daran, den Weg zum Strand in eine befahrbare Straße zu verwandeln. Es war ein bedeckter, kalter Tag, auch wenn der Wind sich endlich gelegt hatte. Nachdem sie die Hummer genau untersucht hatte, um festzustellen, ob sie einwandfrei waren, ging sie zur Vordertür hinaus und über den Vorplatz dorthin, wo die Männer arbeiteten. Will war in Hemdsärmeln und schwang eine Spitzhacke. Adolph schaufelte Erde in die Schubkarre, und Jimmie stand, die Hände in den Hosentaschen, daneben und wartete darauf, den Inhalt der Karre in die Schlucht zu kippen. »Jimmie«, rief sie, »würdest du mal eben kommen? Ich habe eine Arbeit für dich.«
    Sie sah, wie er mit ihrem Mann einen Blick wechselte.
    »Ich brauche ihn nur kurz«, sagte sie, obwohl das nicht stimmte.
    Will legte die Spitzhacke beiseite und wischte sich das Gesicht mit einem Taschentuch ab. Sie sah, dass es ihm nicht recht war, doch er nickte Jimmie zu, und dieser kam über den Vorplatz zu ihr.
    »Ich will, dass du zum Strand gehst und mir Tang holst.«
    Er zupfte an seiner Mütze, strich sich das Haar aus der Stirn und warf einen kurzen Blick über die Schulter zu Will, der sich aber bereits wieder der Arbeit zugewandt hatte. »Tang?« wiederholte er.
    »Nimm das Maultier.«
    Er brauchte beinahe eine Stunde, und als er zurückkehrte, war der Schlitten hoch beladen. Sie saß am Fenster über einer Näharbeit und sah, dass Will und Adolph etwas zu ihm sagten, als er das Maultier an ihnen vorbeiführte. Sogleich ging sie auf den Vorplatz und erklärte ihm, er solle den Tang hinter das Haus bringen, wo sie eine sandige Stelle als geeigneten Platz für die Grube ausgesucht hatte. »Und jetzt sollst du hier graben«, sagte sie zu ihm.
    »Graben, Ma’am?«
    »Eine Grube zum Feuermachen«, sagte sie. Er sah sie verständnislos an. »Für die Hummer.«
    Sie wiederholte ihre Worte ganz langsam und sah, dass er glaubte, sie sei verrückt geworden – oder nein: Er sah sich in der Schlussfolgerung bestätigt, zu der er am ersten Tag gekommen war, als er sie auf dem Schlitten zum Haus hinaufgezogen hatte.
    Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Keine Sorge«, sagte sie. »Ich weiß, was ich tue. Also, die Grube soll ungefähr hier sein« – sie beugte sich vor und zog mit dem ausgestreckten Zeigefinger eine imaginäre Linie –, »und sie soll etwa einen Meter tief und mindestens einen Meter lang sein. Und wenn du damit fertig bist, füllst du sie mit Holz und machst ein möglichst großes Feuer, verstanden?«
    Er nickte nur und schlurfte davon, um eine Schaufel zu holen, und sollte Will sich beschweren – und das würde er bestimmt, weil sie den Jungen von der Arbeit am Weg abgezogen hatte –, dann würde das Ergebnis ihr recht geben, dessen war sie sich sicher.
    Sie ließ Ida die Hummer auftragen, die mit der letzten vom Festland mitgebrachten Butter übergossen waren, und dazu gab es Bratkartoffeln. Edith zündete eine Kerze an. Ida brachte noch einen Topf Bohnen und einen Teller mit in der Pfanne gebackenen Teigfladen, Will sprach das Tischgebet – nur ein paar gemurmelte Worte –, und dann gingen die beiden Messer herum, und alle machten sich daran, die Panzer der Hummer aufzubrechen, um an das köstliche weiße Fleisch zu gelangen, das sie nichts als ein bisschen Mühe gekostet hatte und so umsonst war wie die Luft und das Salzwasser ringsum. »Lecker, nicht?« sagte sie und kostete selbst ein Stück. Natürlich waren das nicht die Hummer, die sie kannte, denn diese hier hatten keine Scheren, und

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