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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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für gewöhnlich am vierten Tag in tiefer Reue stundenlang in der Schlosskapelle die Knie wundscheuerte, oder aber, ganz im Gegenteil, in ihrer Kemenate lustige Weisen trällerte. Roç schien sich vor ihr zu fürchten; er ging ihr aus dem Weg. Aber ... vielleicht lag ja hier der Grund, weshalb es mit Sancha täglich schlimmer wurde. Hieß es nicht, dass sich der Seelenschmerz nur wenig von der Verrücktheit unterschied? Hätte Pedro es doch nur nicht verboten, dass der Narr mit nach Toulouse kam. Hagelstein war der Einzige, auf den Sancha hörte.
    Die Gräfin verweilte noch einige Augenblicke unschlüssig im Raum und sah den Mägden zu, wie sie mit flinken Händen Ordnung schafften. Ihre Schwester riss noch immer ungeduldig den beinernen Kamm durch ihr blauschwarzes Haar, das doch ihr schönster Schmuck war.
    „Willst du denn nicht mit mir für die glückliche Heimkehr unserer Gemahle beten?“, fragte Leonora vorsichtig.
    Sanchas Antwort klang beleidigt. „Ich habe den beiden nicht geraten, das Lager des Feindes aufzusuchen, aber auf mich mag hier niemand hören. Nein, ich bleibe heute in meinem Gemach. Ich bin zu aufgewühlt. Geht es mir am Abend besser, suche ich die Schlosskapelle auf, um für unsere ... Gebieter zu beten.“
    Leonora wagte keinen Widerspruch, um Sancha nicht noch weiter aufzubringen. Sie würde heute Abend in aller Ruhe mit ihr reden.

    Der Troubadour hob die Brauen, als ihm die junge Gräfin eigenhändig die Tür öffnete. Wo waren ihre Damen?
    Er verbeugte sich irritiert, wobei es ihm lächerlicherweise durch den Kopf ging, dass er gut daran getan hatte, heute Morgen das neue, pfefferbraune Wams anzuziehen, das aufs Feinste mit der Farbe seiner Beinlinge harmonierte. „Ihr habt mich rufen lassen, Doña Sancha?“, fragte er zögerlich. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie recht blass war und unter dem Schultertuch nur ein dünnes, weißseidenes Unterkleid anhatte. Auch trug sie keinen Stirnreif. Das Haar war ungeflochten und floss ihr wie Pech über den Rücken.
    War sie krank? Aber weshalb rief sie dann ihn?
    „Tretet nur ein, Herr von Miraval“, sagte sie mit belegter Stimme. Sie geleitete ihn in den halbrunden Adlerturm, der zu ihrem Gemach gehörte und wies ihm einen Platz auf einer der Steinbänke zu, die mit dicken Sitzkissen versehen waren. Der hölzerne Laden war noch zur Hälfte zugezogen und mit dem Eisen eingehakt, obwohl es draußen angenehm warm war. Frühling. Lautstark zankten sich die Vögel.
    Wortlos und ein wenig steif, so kam es ihm vor, setzte sich ihm die junge Gräfin gegenüber, wobei ihr das Seidentuch von der Schulter rutschte. Sonnentropfen fielen auf ihre schlanken Arme.
    Der Troubadour sah sie fragend an.
    „Mein neues Geschmeide ist verschwunden“, sagte sie unverblümt. „Die Perlen meines Bruders. Ihr habt sie am Abend seines Besuches ... angestarrt und in Eurem Antlitz stand, wenn ich mich nicht getäuscht habe ... Begehrlichkeit.“
    Miravals Augen weiteten sich. „Verschwunden? Was wollt Ihr mir damit sagen, ma Dame? Dass man Euch die Kette gestohlen hat?“ Er lockerte das hochgeschlossene Wams, das ihm mit einem Mal am Hals zu eng war.
    Sancha nickte langsam. „ Ihr habt sie mir gestohlen.“ Ohne ihn aus den Augen zu lassen, strich sie sich mit der Hand über ihre gebogene, etwas zu groß geratene Nase.
    Miraval war sprachlos, was selten vorkam. Er sollte ihre Perlen gestohlen haben? War Sancha von Toulouse verrückt geworden?
    Die Anschuldigung stand zwischen ihnen wie der erstickende Qualm nach Ausbruch eines Feuers. Andererseits, dachte Miraval, entbehrte diese Situation, so ernst sie war, nicht einer gewissen Komik, zumal in den Augen der jungen Gräfin etwas flackerte, das, wenn er es richtig deutete, mit dem Verlust irgendwelcher Perlen nichts, aber auch gar nichts zu tun hatte. Eher handelte es sich um ... Miravals Verdacht erhärtete sich, als ihm die Ehefrau des biblischen Potiphar einfiel, die sich an den schönen Joseph herangemacht hatte. Joseph hatte dummerweise abgelehnt, worauf sich die Enttäuschte rächte und ihn der Notzucht bezichtigte.
    Miraval schluckte, wähnte sich am Meeresstrand, so rauschte es plötzlich in seinen Ohren. „Eure Perlen ...“, er räusperte sich, „habt Ihr ... habt Ihr auch schon in Eurem Bett nachgesehen, ma Dame?“
    „In meinem ... Bett?“, wiederholte Sancha, vor dem letzten Wort kurz innehaltend. Ihre Oberlippe zitterte. „Weshalb sollte sich das Geschmeide in meinem Bett finden lassen, wenn Ihr es
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