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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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mir ... gestohlen habt?“
    Miraval betastete eine Weile das gefurchte Kinn, das ausgerechnet heute schlecht rasiert war. „Das ist richtig, ma Dame. Dennoch: bevor mich Eure Anschuldigung den Kopf kostet, solltet Ihr mir Gelegenheit geben, in Eurem ... nun, vielleicht helft Ihr mir beim Suchen, drüben ... ich meine, auf Eurem Ruhelager, nachdem ich Euer Hauptverdächtigter bin.“
    „Bei Gott“, stieß Sancha hervor, plötzlich tief errötet, „Ihr sollt Eure Chance haben, Herr von Miraval!“
    Stolz wie Raymonds Lieblingsstorch, der in den Gärten ein paradiesisches Leben führte, wie jedermann im Schloss meinte, schritt sie zur breiten Bettstatt hinüber, zog die blausamtenen Vorhänge auf und schlug die seidenen Decken zurück.
    Miraval atmete tief durch. Frau Potiphar erwartete tatsächlich einen Dienst von ihm. Die Frage war nun nicht, ob er ihr diesen erweisen konnte - er war ein Mann und er konnte noch immer -, sondern ob er es durfte. Schließlich galt als höchste Tugend die Treue, was übrigens auch Joseph gemeint hatte. Andererseits wusste er von Raymond, dass es Probleme mit Roç gab, heikle Probleme.
    Er schüttelte die Decken auf, klopfte zum Schein das Lager ab, wendete, um Zeit zu gewinnen – vielleicht kamen ja ihre Damen zurück – vorsichtig jedes einzelne Kissen. War Sancha von Toulouse tatsächlich noch Jungfrau, wie Raymond vermutete, was hatte es dann mit dem hartnäckigen Gerücht auf sich, sie sei in Zaragoza eine Liebelei mit einem Narren eingegangen? Einem Alemannen mit honiggelbem Haar!
    Miraval kniete sich mit einem Bein aufs Bett und setzte die Suche fort. Gleich wie er sich verhielt: Die Sache konnte ihn den Kopf kosten. Mindestens jedoch Raymonds Freundschaft. Doch als Sancha sich neben ihm bückte, um den Boden abzusuchen, gewährte sie ihm Einblick auf ihre runden, festen Brüste und fachte damit ordentlich sein Feuer an. Ja, seine Erregung steigerte sich sogar noch, als er das Nelkenöl roch, denn es erinnerte ihn an die heißen Liebesnächte mit seiner hübschen Frau Rença, die ihm vor Jahren leider davongelaufen war.
    Miraval fasste sich ein Herz und beendete die sinnlose Suche. Er erhob sich vom Bett, trat hinter Sancha, die noch immer vornübergebeugt wie gebannt auf die Fliesen starrte, und wickelte vorsichtig eine Strähne ihres Haares über seine Finger. Als sie sich nicht dagegen verwahrte, umfasste er sie zärtlich mit seinen Armen und beugte sich zu ihr hinab. „Die Poesie ohne Musik ist wie eine Mühle ohne Wasser“, flüsterte er in ihr Ohr. „Lasst uns später weitersuchen, ma Dame!“

    Leonora war noch immer zutiefst beunruhigt. Als die Messe zu Ende war, schickte sie ihre Damen voraus und eilte, eine Abkürzung benutzend, an den Pferdeställen vorbei die enge Wendeltreppe eines der kleineren Türme hinauf, die zum Westflügel des Schlosses gehörten. Von dort aus führte ein Fluchtgang zu Sanchas Gemächern.
    Wie grausam die Schwester doch war! Dass sie den Troubadour des Diebstahls bezichtigte, musste verhindert werden. Raymond würde außer sich sein, wenn er nach Hause kam und davon erfuhr, und er würde sie, Leonora, schelten!
    Oben angekommen, stieß die Gräfin die erste eisenbeschlagene Tür auf, dann nach nur wenigen Schritten, die nächste. Als sie den niedrigen, finsteren Gang betrat, der höchstwahrscheinlich voller Spinnweben war, raffte sie ihren Mantel und zog den Kopf mit der Mantille ein. Der Fluchtgang endete vor einer weiteren Tür, die auf den Hauptflur des Flügels führte. Vor der Kemenate ihrer Schwester hielt sie kurz inne, um sich zu säubern und Kraft für die Auseinandersetzung zu schöpfen. Zaghaft betätigte sie den Klopfring.
    Nichts tat sich. Sie klopfte ein zweites Mal, fester ... wieder nichts. Als sie versuchte, die Tür zu öffnen, war diese von innen verriegelt. Hatte sich Sancha eingeschlossen? In ihrem Zustand?
    Vergeblich hielt die Gräfin Ausschau nach Petronilla oder einer der anderen Damen. Als sie die Tür zur Dienstbotenkammer aufriss, die sich direkt neben Sanchas Gemach befand, waren auch die Mägde verschwunden.
    Leonora stutzte. Bereits als Kind mit viel Phantasie ausgestattet, malte sie sich augenblicklich den Schrecken aller Schrecken aus. Sie sah die Schwester tot auf dem Bett liegen, erdolcht von Miraval, der - seiner Ehre beraubt - neben ihr am Boden lag, mit dem eigenen Schwert entleibt. Der Schweiß brach ihr aus und ihr wurde übel. Am liebsten wäre sie davongerannt.
    Doch dann schalt sie sich ein
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