Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
Vom Netzwerk:
leuchtenden roten Dächer und die unzähligen Sarazenentürmchen. Am Glockenturm von Saint-Etienne verweilte sie länger ... Mit Sancha stimmte etwas nicht. Das hätte ihr schon in der letzten Woche auffallen müssen. Doch sie hatte es verdrängt. Nach Pedros Abreise war eine große Handelskarawane eingetroffen und sie hatten sich mit ihren Damen in Sänften auf den Montaigou-Platz tragen lassen, wo die Kathedrale stand. Bereits in der Straße der Maurinnen und am Kreuz Baragnan war der Lärm zu hören gewesen, das Feilschen, Lachen und Schimpfen der Händler und ihrer Kunden. Sancha und Petronilla, die den Großen Markt noch nicht kannten, hatten nur so gestaunt über die Fülle an farbenprächtigen Seidenstoffen, Tuchen, Fellen, Pelzen, Straußenfedern und Schmuck. Bei einem ulkigen Händler mit kurzgeschorenem Haar und einer Pfeilspitze im Ohrläppchen hatte Sancha die Sänfte anhalten lassen. Der Mann behauptete ihr gegenüber großmäulig, seine Bernsteinbrocken würden sich durch Reiben aufladen und danach allen Staub von den Gewändern auf sich ziehen. Sancha hatte ihn ausgelacht und war, gerade als er den Beweis dafür antrat, wortlos weitergegangen, womit sie sich bei dem Mann ins Unrecht setzte. Kurz darauf entschied sie sich an einem anderen Stand für eine fremdartige Kette aus langen Korallenstücken, schwarz wie Gallustinte. Petronilla legte sie ihr an und Sancha betrachtete sich vor den Augen der halben Stadt ausgiebig im Spiegel. Da war sie, Leonora, erstmals eingeschritten: „Deine Liebe zu Korallen in allen Ehren“, hatte sie Sancha ermahnt, „in der Öffentlichkeit solltest du als meine Schwester deine Vernunft zu Rate ziehen.“ Wortlos war Sancha wieder in die Sänfte gestiegen. Am Ende einer Gasse, in der sprechende Vögel und fremdartige Tiere aus Ägyptenland angeboten wurden, die vor allem bei ihren Damen auf Interesse stießen, hatte wie immer der Bibliothekar von Toulouse auf sie, Leonora, gewartet. Emeric von Rocanaga, der seit Jahren im Auftrag von Raymond auf den Märkten Ausschau nach alten Schriftrollen und Büchern für die Taur-Bibliothek hielt, bat sie in sein Haus, damit sie seine neuesten Errungenschaften begutachten konnten: Papyrusrollen mit farbigen Abbildungen, fünf Bände des Mathematikers Diophantos mit dem Titel „Arithmetika“, sowie eine Abschrift der „Mischne thora“ von Moses ben Maimon. Der alte Herr hatte ihnen anschließend eine Erfrischung anbieten wollen, doch Sancha drängte mit einem Mal darauf, das in der Nähe liegende Konsularhaus zu sehen, das mit seinen zwölf Säulen auf den Resten eines römischen Tempels stand. In aller Eile waren sie aufgebrochen, doch nachdem sie Rocanagas Haus verlassen hatten, zog es Sancha plötzlich zu den Zelten der Astrologen, der Wahrsager und Kartenleger hin, worauf Petronilla spöttisch anmerkte: „Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass Euch Prophezeiungen solcher Art zum Vorteil gereichen könnten, Herrin?“
    „Nein, aber ich lasse mich nicht aufhalten“, hatte Sancha geantwortet und forsch eines der Zelte betreten.
    Wenig später, in der Rue des Nobles, war es dann passiert: Ezechiel, einer der hier ansässigen Geldwechsler - im lilafarbenen Umhang und schwarzem Hut -, war auf die gräflichen Sänften zugetreten, um ihr, Leonora, seine Ehrerbietung zu bezeugen. Sie kannte den Mann seit langem, wie auch alle anderen Juden in dieser Straße, denn Raymond besaß hier einen kleinen Palast, versteckt hinter hohen Mauern, Mimosensträuchern und Palmen. Dort hatten sie Einkehr halten wollen, nachdem sie Rocanagas Erfrischungen ausgeschlagen hatten. Und noch vor dem Tor war es aus Sancha nur so herausgeplatzt: „Nicht einmal die Juden achten mich in dieser Stadt!“
    Leonora schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „Wie kannst du nur so etwas behaupten, Sancha!“
    „Es ist die Wahrheit!“, sagte sie mit einem verzweifelten Unterton. „Alles Volk jubelt dir zu, mich nimmt man nur am Rande wahr. Mein Entschluss steht fest: Ich werde mich zukünftig außerhalb des Schlosses nur noch verschleiert zeigen.“
    „Wie bitte? Hat dir das der Wahrsager ins Herz gepflanzt, in dessen Zelt du so lange warst?“
    „Ins Herz gepflanzt? Nein, aber du gönnst mir offenbar nicht einen Herzschlag Vergnügen“, war ihre dreiste Antwort gewesen.
    Leonora sinnierte noch eine Weile darüber nach, weshalb Sanchas Stimmungen fortwährend schwankten, ob sie sich langweilte, ob sie wirklich unglücklich war in Toulouse und ob ihr der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher