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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Helene Luise Köppel
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Umgang mit dem Troubadour verboten werden sollte. Weder ein falscher Glaube noch eine falsche Liebe durfte gefördert werden. Aber dann, nachdem sie ein weiteres Mal gebetet hatte, entschied sie sich doch wieder zum Stillschweigen, auch weil der Anblick der beiden etwas in ihr angerührt hatte. Leonora wusste nur nicht genau, was.
    Am Abend, bei Tisch, erstaunte es sie kaum, dass Sancha die Perlen trug und Miraval zur Überraschung aller mit warmer Stimme das Se Canto sang, obwohl er doch geschworen hatte, nicht mehr zu singen, bis Okzitanien frei war.
    Sancha, das bedauernswerte Ding, lachte und hatte leuchtende Augen. Einen Mittelweg gab es für sie wohl nicht.

6.

    Im Refektorium herrschte größte Stille, so wollte es die Vorschrift. Einzig die etwas quengelige Stimme des älteren Vorlesers vorne am Pult war zu hören: „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz ...“ Niemand erachtete jedoch die für diesen Tag ausgewählte Bibelstelle als schlechtes Vorzeichen, schließlich donnerte und stürmte und hagelte es draußen nicht, wie es zwei Nächte zuvor beängstigend der Fall gewesen war, sondern es war ein freundlicher, milder Maiabend, an dem es schon kräftig nach Heu roch und die Frösche mit den Zikaden in einen Wettbewerb um die größte Lautstärke traten.
    Das ehrwürdige Kloster Saint-Polycarpe, durch hohe Sandsteinmauern und dichtes Grün vor der Außenwelt verborgen, nahm nicht nur aufgrund seines „Biblischen Gartens“ eine Sonderstellung unter all den Klöstern Okzitaniens ein - es prosperierte auch. Seine Ländereien waren aufgrund zahlreicher Stiftungen und Schenkungen ertragreich und die von der Abtei abhängigen Pfründner fett. Doch es fand nicht jeder Aufnahme, Brot und lebenslange Sicherheit, der hier anklopfte, so dass vor allem abgewiesene und deshalb verbitterte Konversen aus den Tiefen ihrer bäuerlichen Seelen heraus behaupteten, es ginge in diesem Kloster nicht immer alles mit rechten Dingen zu. Enttäuschung gebiert Gerüchte: Im Falle der Mönche von Saint-Polycarpe sprachen manche Leute nicht nur von Hochmut und Geiz - sondern auch von ketzerischen Geheimnissen und heimlicher Ketzerei.

    Mit niedergeschlagenen Augen schob Damian den Brotkorb über den Tisch, worauf ihm Olivier das in Öl eingelegte Gemüse reichte. Sie durften es sich nicht anmerken lassen, dass sie sich heute Morgen, draußen auf den Äckern, verbotenerweise verbrüdert hatten.
    Für gewöhnlich zogen die Novizen die Verrichtungen im Kloster der schweren Feldarbeit vor: Das Auftragen bei Tisch, das Auskehren der Streu, das Wechseln der Kelch- und Messtücher oder das Polieren der geweihten Gefäße und Reliquienbehälter. Vor allem Damian schmückte gerne die Statue der Heiligen Jungfrau, nicht zuletzt, weil ihn ihre schmalen nackten Füße, die auf einer goldenen Mondsichel balancierten, an seine Mutter erinnerten. Manchmal, wenn er allein in der Kapelle war, küsste er verstohlen ihre kalten Marmorzehen. Demütig und gehorsam arbeitete er auch im Scriptorium mit, wo es galt, mit einem Lineal endlose Zeichenlinien zu ziehen oder Federn für Bruder Paulus zuzuschneiden. Ja, selbst in der Permennterei entfernte er mit Eifer die Haare von den Ziegenfellen, spannte die Felle auf Rahmen und schabte sie hauchdünn. Stolz hütete er sein erstes selbstgeschnittenes Pergament, nachdem Bruder Paulus ihm erklärt hatte, dass dieses seinen Namen von einer alten, weit entfernten und sehr geheimnisvollen Stadt hätte - von Pergamon. Das süße Gefühl von Freiheit jedoch verspürte Damian nur außerhalb der Klostermauern. Roch er das Heu auf den Wiesen, hütete er die Ziegen oder die schnatternden Gänse, wähnte er sich zu Hause auf Dérouca.
    Am Morgen, nach der Laudes, hatte man ihm und Olivier zwei verschiedene Feldabschnitte zugeteilt, wo es galt den Boden zu lockern und das Unkraut zu entfernen.
    Damian, der bei seiner Arbeit ständig die Garrigue vor Augen hatte, die zu dieser Jahreszeit ein einziges gelbes Blütenmeer war, wäre am liebsten die Hügel hinaufgeklettert, um einen Blick auf das römische Aquädukt werfen zu können. Dieses steinerne Ungetüm, das noch immer Wasser beförderte, interessierte ihn. Er hielt mehrmals mit dem Hacken inne, wischte sich den Schweiß am Ärmel der Kutte ab, und sah sich nach den Aufsehern um, die mit den Pilgern beschäftigt waren. Unversehens war singend eine größere Gruppe durch den Hohlweg gekommen, um sich für einige Tage auf den Feldern oder in den Weingärten
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