Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
des Klosters zu verdingen.
Damian wog noch die Wagnis ab, heimlich ein Stück in die Garrigue hinaufzusteigen, als Olivier angerannt kam, und zwar ganz aufgeregt.
„Ein Wespenschwarm!“, schrie er. „Ich wollte ihn verjagen und die Biester sind über mich hergefallen! Sieh nur!“ Er zeigte Damian seine bereits rot angeschwollene Wange. „Ich hab die Nase gestrichen voll“, keuchte er. „Am Abend Nüchterling oder gar Schläge, am Tag nichts als Plackerei und ... und kein Wasser mehr im Schlauch, nicht ein Tropfen!“
„Warte!“ Damian rannte zum Feldrain hinüber, wo im Schatten der Eberesche der Lederschlauch für die Aufseher lag.
Olivier soff wie ein Pferd, dann benetzte er den Ärmel der Kutte, um seine Wange zu kühlen. „Besser, ich arbeite auf deinem Feldstück weiter“, meinte er, „auf den blühenden Thymian sind die Wespen heute ganz wild. Möcht` nur wissen, wo sie ihr Nest haben.“
Vor allem um Olivier zu beeindrucken, schnappte sich auch Damian den Schlauch und trank ebenso gierig, bis ihm das Wasser übers Kinn den Hals hinab rann. Die beiden prusteten vor Lachen. Ein Weile ruhten sie sich noch aus, dann flog wieder Reihe um Reihe das Unkraut auf kleine Haufen, um später verbrannt zu werden.
„Es war mir ernst, vorhin“, sagte Olivier irgendwann schroff, „im nächsten Frühjahr haue ich bei einer Gelegenheit wie dieser ab!“
Damian hielt inne. „Aber wieso denn?“, rief er entsetzt. „Du kannst doch nicht einfach davonlaufen!“
„Warum nicht ... Man hat mich gegen meinen Willen hierhergebracht. Und wenn du glaubst, dass ich mich noch einmal vom dicken Marcellus verprügeln lasse, wenn mir ein „verdammt“ über die Lippen kommt ... Ich hab die Grobheiten satt, endgültig. Du hast es doch auch erlebt, als dich die Spitznase von Koch niederschlug.“
„Das stimmt. Gab es denn zu Hause kein Auskommen für dich? Oder weshalb bist du hier?“
Olivier reckte das Kinn. „Achtzig Dörfer und Weiler befanden sich im Besitz meines Vaters. Alles weg. Die Franzosen, du verstehst? Und mein Vater sitzt seitdem im Loch. Ich sag dir, Bruder, sie werden ihn vergiften wie den Trencavel, seinen besten Freund.“
Damian ließ endgültig die Hacke fallen. „Den Trencavel? War dein Vater Katharer?“
Olivier zuckte die Achseln. „Also, ich konnte schon immer zwei und zwei zusammenzählen“, sagte er unbestimmt und schnäuzte sich auf bäurische Art durch die Finger. „Es gibt auch im Kloster welche.“
Damian riss die Augen auf. „Ketzer? Ist das dein Ernst?“
„Merk dir eines, Kleiner: Ich lüge nicht. Sobald ich vierzehn bin, verschwinde ich von hier. Schlag mich auf die andere Glaubensseite. Aber ich will natürlich Ritter werden, kein bleichgesichtiger Hungerleider. Ich schließe mich dem Widerstand an, den Faidits, befreie meinen Vater und erobere unsere Güter zurück. Dann wird mich niemand mehr ohrfeigen oder am Fluchen hindern, das schwöre ich dir!“ Er richtete sich auf, grinste. „Je nun, Katharer schwören für gewöhnlich nicht und sie fluchen auch nicht … Aber was glotzt du so? Ich will dich doch nicht bekehren! Meinethalben kannst du bis an dein Lebensende deinen Jesus essen. Mich stört`s nicht! Aber wenn du je einer Menschenseele erzählst, was ich dir gerade anvertraut ...“
„Scht! Bruder Angelo naht!“ Damian nahm die Hacke auf und hieb wie wild auf die trockene Krume ein.
„Der kommt mir gerade recht“, meinte Olivier ungerührt.
Nachdem sich der Mönch die geschwollene Wange angesehen hatte, erlaubte er beiden Novizen eine Auszeit. „Nehmt das Wasser mit und geht in den Schatten“, sagte er und wies auf das Aquädukt.
An die Mauer des mittleren steinernen Arkadenbogens gelehnt, wo ein zerbrochener Rechen lag, um dessen Zahnreste sich rosafarbene Windenblüten schlängelten, setzten sie sich nebeneinander ins Gras.
„Wie ist eigentlich dein Name? Dein richtiger, meine ich“, fragte Damian.
„Termes. Olivier von Termes. Außer dir weiß nur der Ehrwürdige Vater Abt Bescheid. Er duldet hier solche wie mich, verstehst du? Entrechtete. Söhne von vermeintlichen oder tatsächlichen Katharern. Und wie verhält es sich in deinem Fall? Man munkelt, über deiner Herkunft läge ebenfalls ein Schleier?“
Vorsichtig lugte Damian nach allen Seiten.
„Du hattest Recht damals. Ich bin ein Bastard. Aber ich stamme wie du aus bestem Geblüt. Mein Großvater mütterlicherseits war Wilhelm, der achte Seigneur von Montpellier. Und Inés, die
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