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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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küsste. Leonora würde dies nie und nimmer verstehen. „Der Gipfel der Verdorbenheit ist es, wenn man sich der Sünde freut!“, hatte sie sie kürzlich sagen hören. Seitdem rätselte sie, für wen dieser Satz bestimmt war. Für sie, Sancha? Der Gipfel der Verdorbenheit ... Nein, bei allen Heiligen, sie war Sancha von Toulouse, und sie fühlte sich keineswegs verdorben.
    Eng an eng standen die Leute bereits und das Gotteshaus füllte sich noch immer.
    Plötzlich fasste Roç sie unauffällig beim Arm. „Castronovo!“, flüsterte er.
    Sancha nahm den Anführer der Weißen Büßer genauer in Augenschein. Der spindeldürre Mann war stimmig ganz in Weiß gekleidet. Mit steifer Förmlichkeit verbeugte er sich vor den Schranken des Altars, trat dann auf die Estrade zu, um Roç und ihr die Ehrenbezeugung zu erweisen. Danach nahm ihr ihnen gegenüber, auf der anderen Seite des Altars Platz, wo sich auf der dort befindlichen Estrade bereits eine Handvoll Mönche befand. Die Ordensbrüder gaben nicht zu erkennen, dass Castronovo zu ihnen gehörte. Aber ihr Gleichmut konnte auch gespielt sein.
    Die Glöckchen ertönten. Priester und Messdiener traten ein. Das Hochamt begann – was eigentlich ein Wunder für sich war, schließlich war nicht nur Graf Raymond, sondern die ganze Stadt Toulouse exkommuniziert. Doch um Roms Dekrete scherte sich hier keiner mehr, was aber selbst Pedro bei seinem letzten Besuch missbilligt hatte.
    Mit wachsender Anspannung saß Sancha auf der Bank und beobachtete die Wände. Kein Menetekel beim Kyrie, keines bei der Epistellesung. Auch während der kurzen Predigt blieb alles wie es war. Doch nach dem Credo, als der Priester begann, den Altar zu bereiten, zogen auf einmal halblaute Ah`s und Oh`s durch die Kirche. Die Leute begannen zu flüstern, deuteten blitzartig hierhin und dann dorthin – so dass selbst die Mönche unruhig auf ihrer Bank herumrutschten. Nur Castronovo saß wie festgewachsen da.
    So sehr sich Sancha auch anstrengte, die Wände blieben weiß. Jungfräulich weiß. Nichts glitzerte oder gleißte. Und das lag gewiss nicht an der Sehkraft ihrer Augen, allenfalls hatte sie zu lange in den Spiegel gesehen. Sie lupfte den Schleier, als sie sich hinkniete.
    „Eindeutig ein Betrug“, flüsterte sie Roç zu - und erntete ein ärgerliches „Pst!“, was ihr neugierige Blicke eintrug. Auch Castronovo ließ sie mit einem Mal nicht mehr aus den Augen. Das jedoch kam Sancha gerade recht. Sie begann mit dem Büßer zu spielen und ließ trotz der Gebete die schwarzen Mandelaugen schweifen. Um die Sache auf die Spitze zu treiben, deutete sie sogar einmal auf ein glitzerndes Nichts, worauf - Sancha konnte sich das Lachen kaum verkneifen - das aufgeregte Murmeln im Gotteshaus anschwoll wie die Töne, die sie als Kind dem Olifanten aus Elfenbein entlockte - einem Geschenk König Alfons` von Kastilien.
    Pater Jakobus, einer derjenigen Priester, die Graf Raymond offen die Treue hielten, blieb die ganze Zeit über die Ruhe selbst, auch als sich das Murmeln zu einem aufgeregten Stimmengewirr entwickelte und Leute beim Aufstehen sich zu streiten begannen.
    Er stellte den Kelch auf die Corporale zurück und bedeckte ihn mit der Palla. Als das ite, missa est ertönte und alles Volk - auch Castronovo - die Kirche verließ, blieben die Edelleute, wie es Brauch war, auf ihrer Bank sitzen, um einzeln und geschützt vor neugierigen Blicken, die Kommunion zu empfangen.

    So besonnen sich Pater Jakobus während der Messe verhalten hatte, so ernst nahm er die Angelegenheit mit den Kreuzen beim nachfolgenden Gespräch. Die Geschichte, die er ihnen erzählte, machte selbst Sancha betroffen.
    „Ich habe es nicht glauben wollen, Sénher“, sagte er leise zu Ro ç , „denn ich sah nicht das, was andere sahen. Selbst als der Legat des Apostolischen Stuhls, der ehrenwerte Magister Thédisius erschien, um sich das Wunder zu betrachten, konnte er es sehen und ich nicht. Ich war darob verzweifelt, Euer Hoheit. Ich dachte, Gott straft mich vielleicht, weil ich hier noch immer täglich die Messe lese, obwohl ...“ Er stockte. „Verzeiht, Graf Roç, aber Ihr ahnt nicht, wie sehr man mich deswegen unter Druck setzt. Man fordert mich auf, die Stadt heimlich zu verlassen.“
    „Ich verstehe Eurer Bedrängnis, Pater, aber wie sollen wir Euch helfen? Ihr müsst das mit Gott und Eurem Gewissen ausmachen.“
    „Ich bleibe in Toulouse“, sagte Jakobus mit fester Stimme, „Eurem Vater und Euch geschieht bitteres

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