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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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Land, an dem uns doch allen gelegen ist, hängt von Eurer gütigen Hilfe ab!“
    Doch Boson ließ sich auch von seinem Novizenmeister nicht umstimmen. Die Tür fiel zu.
    „So bringt Ihr mir den Jungen her!“, befahl Montfort, „aber ohne Aufsehen!“
    Marcellus erschrak. „Graf, verzeiht, das ist unmöglich. Damit würde ich zum Judas meines eigenen Konvents werden. Vielleicht ... nun, ich weiß, Ihr habt alle Hände voll zu tun mit dem Ketzerpack, aber womöglich war es ein Fehler, mitten in der Nacht hier einzudringen. Ich lasse Euch eine Zelle vorbereiten. Warten wir die Prim ab. Bei Tag ist der Ehrwürdige Vater Abt zugänglicher.“

    Montfort zog verächtlich die Mundwinkel nach unten. Feiges Gewinsel war ihm verhasster als Starrsinn. Merkwürdig fand er es, dass der Dicke von dem Jungen als einem „Schützling des Abtes“ gesprochen hatte. Gehörte - nach Moissac - auch Saint-Polycarpe zu den verdächtigen Klöstern, die dem Ketzergesindel Schutz gewährten? Es war nicht zu fassen: Reinster Höllengestank, wohin man auch kam. Überall knirschte es im Gebälk. Das ganze Land faulte, und ihn, Montfort, hatte man offenbar zum Vorsteher des irdischen Purgatoriums gemacht.
    „Nun, so klopft meinethalben ein letztes Mal an seine Tür, Bruder Marcellus", gab er zu, nur mühsam beherrscht. "Öffnet der Abt nicht, wird aufgebrochen.“
    „Aufgebrochen?“ Marcellus blieb der Mund offenstehen. „Aber, Graf, das steht Euch wirklich nicht zu!“ Mit zum Himmel erhobenen Händen versuchte er den Berg aus französischem Erz aufzuhalten, der mit seinem Zutun gefährlich ins Rutschen geraten war.
    Trotz der bleiernen Müdigkeit in seinen Knochen weidete sich Simon von Montfort an der Not des fetten Mönches, der nun tatsächlich eigenhändig und zunehmend kopflos an Bosons Tür hämmerte.
    Aber auch auf die ersten Axtschläge und das Splittern des Holzes hin, ließ sich der Abt nicht blicken.
    Inzwischen standen sich zwei feindselig gesonnene Blöcke gegenüber: Hier Mönche und da Kreuzfahrer. Bittere Worte, Vorwürfe und Beleidigungen flogen von einem Lager ins andere. Vereinzelt kam es zu Rangeleien. Aber es war ausgerechnet der sanfte, friedfertige Bibliothekar, der die Lage zum Eskalieren brachte: Paulus trat vor und drohte Montfort, in Rom Beschwerde über ihn einzulegen.
    „Stopft dem frechen Mönch das Maul“, brüllte Montfort, worauf sich zwei Soldaten auf Paulus stürzten. Einer drehte ihm die Arme auf den Rücken, ein anderer schlug ihm brutal ins Gesicht. Blut floss.
    Erschrocken wich das Lager der Benediktiner zurück.
    Da besann sich offenbar Marcellus der Lehre, dass auch der Einzelne in Treue die Gesamtheit und das Kloster zu tragen habe. Er kniete vor Montfort nieder. „Haltet ein, Sir!“ rief er, „verschont um Christi Willen meine unschuldigen Brüder. Ich will Euch den Jungen holen!“
    Schneller, als man es ihm bei seiner Leibesfülle zugetraut hätte, rannte er zum Dormitorium der Novizen hinüber – wo bereits wie ein flimmernder Stern ein Nachtlicht vor dem Eingang auf und ab sprang. Der Custodia erwartete ihn.
    „Die Schützlinge des Abtes sind geflohen!“, flüsterte ihm Bruder Bernard zu.
    Marcellus ward der Hals eng. Schwer atmend stieg er hinter dem Custodia die Treppe hoch, lief im Saal von einem Spannbett zum anderen – die Novizen starrten ihn erschrocken an -, riss linkisch Decken und Strohsäcke beiseite, alles in der marginalen Hoffnung, die zwei Ausreißer noch rechtzeitig zu finden.
    Doch als Bruder Bernard schuldbewusst auf das offenstehende Fenster deutete, spürte Marcellus, wie sich zum Strick um seinen Hals ein ehernes Band um seinen Brustkorb spannte. In seiner abgrundtiefen Angst vor Montfort kam ihm ein perfider Gedanke. Listig sah er von Bett zu Bett. Wer von den Novizen sah dem gesuchten Knaben am ähnlichsten?
    Marcellus hatte sich schon fast entschieden, als – Oh, Heilige Jungfrau! - Montfort hereinplatzte. Es war jedoch der Anblick des blutüberströmten Paulus, den zwei Soldaten hinter dem Heerführer nachzogen, der den Novizenmeister bewog, sich tapfer für die Wahrheit zu entscheiden:
    „Es tut mir leid, Graf, aber der Junge ist gemeinsam mit einem anderen Novizen geflohen. Offenbar durchs Fenster. Wir lassen sie gerade suchen. Die beiden können noch nicht weit sein, es sei denn ...“
    „Es sei denn, was?“, donnerte Montfort.
    „Nun, die Pforte. Aufgrund Eures nächtlichen Eindringens ... also, vermutlich ist sie derzeit nicht ausreichend

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