Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
sprechen. Schwöre es mir.“
Damian seufzte. Der Schwur lag ihm schwer auf der Seele. Wie sollte er Olivier je beweisen, dass er nicht der "Kleine" war, für den ihn der Freund ansah?
„Du sagst ja gar nichts mehr, Damian? Was ist los? Glaub mir, wir sind hier in Sicherheit. Selbst wenn einer der Soldaten am Weinstock hochklettert, getraut er sich nie und nimmer, durch die enge Röhre zu kriechen. Montforts Esel haben nur ein großes Maul ...“
„Ich denke doch nur nach“, sagte Damian, und das war nicht gelogen. In seinem Kopf schwirrte es nur so. Er musste schleunigst nach Dérouca zurück. Wussten Fremde von Großvaters Geheimnis – vielleicht sogar Montfort – dann waren auch Mutter und Villaine in Gefahr!
„Weiter vorne ist die Rinne mit Brettern abgedeckt, da ist es trockener. Vielleicht können wir dort ein wenig schlafen“, hörte er wie aus weiter Ferne Olivier sagen.
Damian stand auf und stieg neben Olivier auf die andere Seite. „Schlafen? Wo sie hinter uns her sind?“
„Versprich mir eines, Bruder“, sagte Olivier, als sie ihre triefenden Kutten und Bruchen auszogen, „wenn du morgen, bei Tagesanbruch der Meinung bist, dass deine Zeit als Faidit noch nicht gekommen ist, oder du für immer dem Mönchsgewand treu bleiben willst, dann klettere zurück und vertrau dich dem Vater Abt an. Er erteilt dir Indult , er ist gütig.“
„Hm ...“, antwortete Damian, denn ihm war gerade siedend heiß eingefallen, dass er sogar hierbleiben musste ! Ohne die Prüfungen des Abtes konnte Großvaters Rätsel doch gar nicht gelöst werden. Was sollte er jetzt bloß tun? Wie konnte er die Mutter warnen?
Sie banden die nassen Kleider an ihre Hanfkordeln und hängten diese zum Trocknen über die rückwärtige Mauer, die auf die Felder und Weingärten hinausging. Dann ließen sie sich mit angezogenen Beinen auf den Brettern nieder, Rücken an Rücken gelehnt, damit sie nicht so froren.
Irgendwann schreckte Damian zum zweiten Mal in dieser Nacht hoch. „Olivier, es brennt! Und die Mönche ... hör doch, sie schreien!“
Nackt wie sie noch immer waren, setzten sie über die Rinne und liefen zum Ausguck zurück. Im ersten kalten Morgenlicht sahen sie ihr Dormitorium und den Kapitelsaal in Flammen stehen. Fassungslos beobachteten sie, wie die Kreuzfahrer, die zahlreicher waren, als sie angenommen hatten, laut johlend Mönche und Novizen durch den Garten jagten. Andere schleppten Säcke auf dem Rücken davon oder trieben Tiere zur Pforte hinaus. Ja, ein langer blökender Zug bewegte sich bereits in Richtung Ausgang.
Damian trat von einem Bein aufs andere. „Wir müssen ... wir müssen ... helfen!“, stotterte er, dann übergab er sich.“
„Wir sind machtlos. Und das weißt du selbst“, herrschte ihn Olivier an, als der Junge wieder neben ihm auftauchte. „Halt dir die Ohren zu und sieh nicht hin!“
Olivier selbst redete und redete. Wie unter Zwang. Erst als sie bei Sonnenaufgang die Leichen entdeckten, die wie gesät auf dem Hauptweg und im Biblischen Garten lagen, verschlug es auch ihm die Sprache. Dann kotzte er.
Als die Sonne hoch am Himmel stand, war von den Kreuzfahrern nur noch eine rötliche Wolke aus Staub zu sehen, die sich nach Norden entfernte.
Die Novizen beschlossen, bis Einbruch der Dunkelheit zu warten, weil damit zu rechnen war, dass Montfort Soldaten zurückgelassen hatte. Wieder und wieder zog es sie zum Ausguck hin.
„Vermutlich hat das Schwein auch die umliegenden Weiler niedergemacht“, meinte Olivier niedergeschlagen, nachdem sich an diesem Tag kein Dörfler und kein Pächter sehen ließ.
„Aber wir können doch nicht einfach davonlaufen und die Brüder unbestattet liegenlassen?“, klagte Damian.
„Was quälst du dich so?“, hielt ihm Olivier entgegen. „Es sind doch nur ihre nutzlosen Hüllen. Ihre Seelen leben. Sie wandern - so glauben wir Katharer - von einem Körper in den nächsten. Die Guten, wie Boson, Bernard oder Paulus, die sind längst im ersten Himmel angelangt. Die anderen ... nun, Philippus, Philippus und der dicke Marcellus - die werden wohl gerade als Schlange oder Kröte wiedergeboren.“
Damian rang sich ein schiefes Grinsen ab. Doch auch wenn Olivier ihn nur hatte aufheitern wollen, stand eines fest: Das Katharersein war nichts für ihn, ja, er gab diesen Leuten mehr noch als zuvor die Schuld am Elend der Welt. Seufzend setzte er sich wieder hin. Aber es dauerte nicht lange, da trieb es ihn erneut zum Ausguck: Nichts hatte sich verändert:
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