Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Päpste herrschen lassen würde.“
„Selbst über Könige und Päpste? Ein neunjähriger Knabe?“, warf Sancha ungläubig ein.
Der Templer zuckte die Achseln. „Ich gebe nur weiter, was uns durch Kundschafter zu Ohren kam. Doch nun zu Euch und zu Toulouse, Doña Leonora. Jener Bartomeu von Cahors war eng befreundet mit Fulco, dem Bischof Eurer Stadt, der diesen Jungen sucht, um ihm sein Geheimnis zu entreißen.“
Sancha lauschte wie gebannt. Sie ließ kein Auge von Cadeil, als dieser ihnen unter dem Siegel der Verschwiegenheit erklärte, dass Bischof Fulco wohl einzig zu diesem Zweck sowohl den geistlichen als auch den weltlichen Führer der Kreuzfahrer auf seine Seite gezogen hätte.
Dann kam er zur Sache: „Vor zwei Tagen traf eine wichtige Nachricht ein. Erzählt Ihr weiter, Pater Robert ...“
Der Ordensgeistliche räusperte sich. „Die Kreuzfahrer haben das Kloster Saint-Polycarpe überfallen. Es liegt in der Nähe von Limoux. Der Abt und alle Mönche wurden niedergemetzelt.“
Sancha und Leonora stöhnten auf.
„Sie haben erneut ein Kloster überfallen?“ Pater Sola, plötzlich weiß wie Leonoras Cotte, bekreuzigte sich. „Aber weshalb?“
„Braucht es weiterer Erklärungen, wenn ich Euch berichte, Pater“, fuhr Cadeil fort, „dass sich in diesem Kloster der gesuchte Knabe aufhielt? Er ist entweder tot - oder verschwunden wie sein Vater. Zumindest lassen der Graf von Montfort und Bischof Fulco derzeit überall im Land nach ihm suchen.“
„Aber ... das kann zeitlich nicht stimmen“, Leonora schüttelte den Kopf. „Bei unserer Abreise hieß es, Montfort befinde sich bereits auf dem Weg nach Toulouse. Kannte Euer Bote den genauen Zeitpunkt des Überfalls?“
„Er hat sich vor zehn Tagen ereignet“, antwortete Cadeil. „Der Überbringer dieser Schreckensnachricht war allerdings nur ein simpler 'Herrgottsvogel`!“ Der Komtur schmunzelte.
„Eine Taube?“, fragte Sancha erstaunt.
Cadeil nickte. „Diese Art der Nachrichtenübermittlung geht auf Nur-Eddin, den Kalifen von Bagdad, zurück. Wir haben gute Erfahrungen mit den geflügelten Boten gemacht."
„Würdet Ihr es als anmaßend empfinden, Komtur“, fuhr Sancha fort – bemüht den rechten Ton zu finden, „wenn wir Euch bäten, uns Einzelheiten über jenes weltumspannende Geheimnis zu offenbaren, das einen brutalen Überfall auf ein Kloster rechtfertigte?“ Aus den Augenwinkeln heraus sah sie, wie Miraval zustimmend nickte.
Cadeil lächelte schmal. „Anmaßend? Aber nein, Doña Sancha. Diese Angelegenheit verhält sich jedoch eher so, wie Homer in seiner Ilias schreibt: Wir horchen allein dem Gerücht und wir wissen durchaus nichts. Das Gerücht, auf das ich anspiele, streift seit Jahrhunderten durchs Land, wie ein Fuchs in der Stunde des Zwielichts, wenn er zur Jagd aufbricht. Und so wie der Fuchs selbst und die Dämmerung steckt es voller Täuschungen und Halbwahrheiten: Kurz, es geht wohl um die Schätze Salomos.“
Ein Aufraunen war zu hören. Sancha spürte wie ihre Wangen zu glühen begannen. Sie fasste ganz aufgeregt nach Leonoras Arm. „Hast du das gehört?“, fragte sie atemlos. „Aber wie sollten diese Reichtümer in unser Land gekommen sein?“
„Auch das kann Euch Bruder Robert besser erzählen als ich.“
Der ernste, junge Mann verneigte sich vor seinem Vorgesetzten. Er holte weit aus, berief sich auf zwei Geschichtsschreiber, die er, wie er versicherte, gründlich studiert hätte. Es handelte sich um Prokopius von Caesarea und um Gregor, den Bischof von Tours.
„Alles nahm seinen Anfang“, erzählte er mit fester Stimme, „als sich im Jahr sechsundsechzig nach der Fleischwerdung unseres HERRN die Juden in Palästina erhoben, um das Joch der Römer abzuschütteln. Titus, der Sohn des damaligen Kaisers von Rom, verwüstete mit seinen Legionen die Heilige Stadt Jerusalem. Er ließ den Tempel plündern und die jüdischen Heiligtümer nach Rom bringen. Prokopius schreibt darüber knapp, dass der Anblick dieser Schätze lohnenswert gewesen sei. Ein Tisch aus Smaragden wird genannt. Der Bischof von Tours hingegen spricht von wunderbaren Kerzenleuchtern, mit Edelsteinen geschmückten Vasen und vielen anderen Reichtümern. Indes“, der Priester hob die Hände, „der Hochmut kommt stets vor dem Fall und vor dem Verderben steht bekanntlich der Stolz: Als das erste Jahrtausend das Jahr 410 durchlief, wurde die Stadt Rom ihrerseits geplündert. Der Gotenführer Alarich bemächtigte sich der Heiligen Schätze
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