Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
kümmern.“
Miraval lächelte in sich hinein, während er in seine Kammer zurückkehrte ... Miraval, vergesst bloß nicht ... Mein guter Freund, Ihr müsst ... Mit Sancha verhielt es sich wie mit einem rechten und einem linken Handschuh. Hatte sie den einen übergestreift, hieß sie ihn "meinen allerliebsten Schatz", schlüpfte sie in den anderen, so war er "Miraval, dem sie Befehle erteilte“. Sein Bestes erwartete sie in jedem Fall, aber was diesen Jungen betraf, so hatte er wirklich keinen Schimmer, wo er ihn suchen sollte. Allenfalls konnte ihm Villaine weiterhelfen; er hatte den Spielmann vor Jahren in Carcassonne kennengelernt und er erinnerte sich, dass seinerzeit die Kunde ging, der Trencavel hätte ihm einen kleinen Gutshof in der Nähe von Carcassonne als Lehen übertragen. Dieser Ort musste doch ausfindig zu machen sein. Aber zuerst galt es Raymond von dem geheimnisvollen Tor zu erzählen, hinter dem Bischof Fulco her war. Er, Miraval, hatte da so eine Idee: Ein freies Toulouse im Austausch für einen sagenhaften Schatz! Eine Vorstellung, die ihm gefiel, und bestimmt auch Audiartz . Vielleicht gelang es ihnen beiden, Geschichte zu schreiben.
Der Zeugmeister hatte für ihn schon alles bereitgelegt: Beinlinge, Cotte, Habit, Kettenzeug, gesteppte Bundhaube, Topfhelm und Schild – eine komplette Ausrüstung. Cadeil kam selbst ans Tor, um ihm den weißen Umhang auszuhändigen. Miraval war überrascht, denn damit hatte er nicht gerechnet. Doch der Komtur beruhigte ihn. In Anbetracht der brisanten Mission, sagte er, könne er dies gegenüber dem Großmeister vertreten. Und er ordnete an, dass die schwer bewaffnete Eskorte Miraval bis vor die Tore von Toulouse begleitete.
Zaragoza lag im gleißenden Sonnenlicht, als Sancha und Leonora nebst Gefolge ihre Vaterstadt erreichten. Sie ließen die Judería hinter sich und auch die Morería , das Viertel für die Mauren, und überquerten endlich die Holzbrücke, die geradewegs zur Kirche führte, in der einst die Jungfrau Maria dem Heiligen Jakobus erschien.
Der Ebro roch so brackig wie früher.
Beim Absitzen entdeckte Sancha ein Weißstorchenpaar, hoch oben auf dem Dach des Gotteshauses. Sie fasste Leonora beim Arm und zeigte ihr die Vögel.
„Das ist ein gutes Zeichen, liebe Schwester“, meinte Leonora erfreut. Auch ihre Damen lachten und bewunderten die aufgerissenen roten Schnäbel der Störche.
„Ein gutes Zeichen? Weshalb denkst du das?“
„Nun, als ich vor neun Jahren die Stadt verließ, um nach Toulouse zu ziehen, nisteten dort ebenfalls Störche.“
„Du Glückliche“, sagte Sancha nachdenklich, als sie das Gotteshaus betraten. „Bei meiner Abreise war der Ebro rot wie Blut.“
„Ach, Kindchen, das war nur die Morgenröte, die sich im Fluss spiegelte.“
Sie küssten die Heilige Säule und knieten im Dämmerdunkel des alten Gemäuers nieder. Nach dem Gebet ritten sie weiter, gen Westen - wo sich das Castillo befand - ein ehemaliger Prachtbau der Mauren, denn Zaragoza hatte einst zum Kalifat von Córdoba gezählt. Offenbar hatte sich ihre Ankunft herumgesprochen, denn viel Volk stand am Straßenrand und jubelte ihnen zu.
Als Sancha die hohen, starken Mauern und die zinnenbewehrten, halbrunden Festungstürme erblickte, die das Castillo umgaben, klopfte ihr Herz. Tage des Müßiggangs standen ihr bevor, aber zugleich solche der Angst vor dem nächsten schnellen Reiter aus Toulouse. Unterwegs hatten sich die Schwestern oft gefragt, ob sie wohl ihr restliches Leben hier in der väterlichen Burg oder gar in einem Kloster würden verbringen müssen.
Laut hallten die Hufe der Pferde auf dem Pflaster wider, als sie in das Castillo hineinritten. Im Patio des Heiligen Martin warteten bereits Knechte und Diener, denn der Zeitpunkt ihrer Ankunft war tatsächlich bereits gemeldet worden. Es war drückend heiß. Die Luft flirrte und flimmerte. Schwer lag der Brodem der Tiere und der Dunst menschlichen Schweißes in der Luft, so dass sich die Frauen den Schleier über Mund und Nase zogen.
Doch als sie den großen, rechteckigen Innenhof betraten, erwartete sie ein frisches Meer von Grün. Nichts hatte sich verändert: Die Zypressen standen ringsum in Reih und Glied, ein leiser Wind bewegte die breit ausladenden Wedel der Palmen, die Wasserspiele sprangen auf und in den Zitronen- und Mandelbäumen pfiffen und zeterten die Webervögel, Finken und Mönchssittiche. Über allem lag der zarte Duft von Jasmin, Heliotrop, Rosen und Lilien. Fast drängte es
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