Sanctum
Spätestens auf dem römischen Flughafen würde ihn die Waffe in Schwierigkeiten bringen, und davon besaß er auch so schon jede Menge.
Eric checkte ein und saß bald darauf im Flugzeug nach Rom. Er wünschte sich, Isis’ bewundernswerte Fähigkeiten zu besitzen, dann könnte er die Wandelwesen nur mit dem Klang seiner Stimme zum Aufgeben bewegen. Ein Wandelwesen-Flüsterer mit blutigen Rippchen in der Hand. Er musste lächeln.
Eric bekam von der Stewardess einen Drink gereicht, dann genoss er das Sterne-Essen, das in der ersten Klasse serviert wurde: Hühnerbrüstchen an Safransoße, Babykartoffeln und Wurzelgemüse.
Mit seinen Gedanken war er trotzdem bereits auf dem Petersplatz, wo das Treffen mit der Schwesternschaft stattfinden würde, bei dem sie sich über Lena einigen wollten. Bis dahin blieben weniger als zehn Stunden. Das genügte ihm jedoch, um Vorbereitungen zu treffen.
Unbewaffnet würde er nicht mit den Nonnen sprechen. Christliche Orden hatten in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass sie durchaus in der Lage waren zu töten. Er wollte nicht ihr Opfer werden.
II.
KAPITEL
22. Juni 1767, in der Nähe der Klosterruinen von Saint-Grégoire, Südfrankreich
Jean kam sich seit seinem Besuch beim Marquis vor, als sei er aus einem Fiebertraum erwacht, in dem nichts anderes eine Rolle gespielt hatte als der Tod der Bestie. Sämtliche Ängste und Sorgen waren von seinem Verstand hintenan gestellt worden, und jetzt schlugen sie umso härter auf ihn ein.
Vor allem kreisten seine Gedanken um Gregoria. Er machte sich schwere Vorwürfe, sie mit ihren schweren Verbrennungen allein in der Obhut der Dörfler gelassen zu haben, aber die Jagd auf den Dämon hatte Vorrang gehabt. Sie würde es verstehen. Sie musste.
Er ritt zur Ruine des Klosters, wo eine Gruppe Dorfbewohner damit beschäftigt war, die Steine auf Karren oder auf Lasttiere zu laden und damit nach Hause zu fahren. Günstiges Baumaterial für Ställe. Niemand schien die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Klosteranlage wiederaufgebaut werden könnte und dass sie sich gerade Kirchendiebstahls schuldig machten.
Das Feuer hatte die Wiesen um das Kloster herum verschont. Büsche und Gras wirkten im Gegensatz zu den verkohlten Steinen auf merkwürdig unwirkliche Art lebendig und ließen die Trümmerhaufen noch trostloser aussehen.
Jean schulterte seine Muskete und ging auf einen jungen Mann zu, der zwei Korbtaschen an der Seite seines Esels voll packte. Er trug halblange Hosen, ein dreckiges Hemd und eine Kappe über dem langen blonden Haar und schreckte zusammen, als Jeans Schatten über ihn fiel.
»Bonjour. Ich suche Äbtissin Gregoria«, fragte er. »Wohin ist sie gebracht worden?«
»Gebracht? Ihr meint, in der Nacht nach dem Brand?« Der junge Mann bückte sich, hob einen weiteren Stein auf und wuchtete ihn auf den Stapel. Der Esel schrie protestierend, sein Kreuz bog sich weit durch. Fluchend wischte der Mann sich den Schweiß aus den Augen und verscheuchte die Mücken, die ihn umschwirrten und sofort wieder auf seinem nassen Gesicht landeten. »Ihr habt demnach nichts von dem Wunder vernommen?« Er sah zu Jean auf, der nicht von seinem Pferd abgestiegen war. »Sie ist auf ihren eigenen Füßen gegangen, Monsieur.«
»Was sagt Ihr da?«, fragte Jean verwundert.
»Äbtissin Gregoria ist gesegnet, Monsieur. So wahr, wie sich Steine in den Korbtaschen meines Esels befinden, so wahr ist es, dass ich sie mit eigenen Augen aufstehen und davongehen sah.« Er schlug nach dem Esel, der an seinem Hemdrücken zupfte. »Und noch wahrer ist es, dass ihre Haut so rosig und frisch wie die eines Neugeborenen oder einer Comtesse war. Sie rieb sich die verbrannte Haut einfach ab, ohne Schmerzen und Geschrei. Gott liebt sie, Monsieur.«
Jean beschloss, den Worten des jungen Mannes nicht zu glauben. Vermutlich war Gregoria in dem Schockzustand, in dem er sie verlassen hatte, aufgestanden und hatte daher keine Schmerzen verspürt. »Wohin ging sie?«
»Nach Saugues, habe ich gehört.«
Jean wendete sein Pferd. »Danke, Monsieur.« Er wollte gerade losreiten, als der Mann noch etwas sagte.
»Seid Ihr nicht Monsieur Chastel, der Jäger, der die Bestie getötet hat?«
Jean schnalzte mit der Zunge und trieb sein Pferd an. »Nein.«
Er ritt über die Wiese in Richtung der Straße nach Saugues. Kurz bevor er sie erreichte, sprang ein Junge mit kurzen braunen Haaren aus dem Gebüsch und stellte sich mutig vor das Pferd. »Ihr seid doch Monsieur
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