Sanctum
Stück aus dem Wohnwagen heraus und landeten draußen im Schnee; der Eisbär lag auf ihm und brach ihm mindestens zwei Rippen. Doch was viel schlimmer war: Eric bekam keine Luft mehr. Das Gewicht, das er auf mindestens fünfhundert Kilogramm schätzte, presste den Sauerstoff aus seinen Lungen und erlaubte ihnen nicht, neuen einzusaugen.
Eric hatte geahnt, dass ihn die Wandelwesen eines Tages vielleicht doch erwischten und erledigten … aber erstickt unter einem Eisbären? Zerfleischt, ja. Den Kopf von den Schulter gerissen, vielleicht. Aber das hier? Die Masse drückte ihn unbarmherzig in den Schnee, er konnte nicht einmal mehr mit dem Fuß wackeln.
»Werden Sie vernünftig sein und nicht um sich schießen?«, hörte er Isis’ Stimme.
Wie gern hätte er geantwortet, aber es ging nicht.
Das Gewicht wurde von seinem linken Arm genommen. »Wenn Sie mich hören, bewegen Sie die Finger.«
Er bewegte sie.
»Sie haben meine Frage gehört: Sind Sie vernünftig, dann krümmen Sie die Finger zweimal.«
Er krümmte sie zweimal.
Sofort sprang der Bär von ihm. Hustend und kurz vor einer Ohnmacht stehend atmete Eric tief durch und ließ es geschehen, dass man ihn auf den Rücken drehte; seine Arme und Beine wurden festgehalten, dann schob sich Isis in sein Blickfeld. Sie sah ihn nachdenklich an. Er konnte sehen, wie sie grübelte.
»Ich werde meinen Vater fragen, was wir mit Ihnen anstellen. Er kommt gleich. Ist sich noch was anziehen«, sagte sie schließlich, während sie sich über ihn beugte und ihm alle Waffen abnahm, die er bei sich trug; auch die Kevlarweste zog sie ihm aus. »Aufstehen.«
Eric stemmte sich aus dem Schnee und hustete wieder, er hielt den Oberkörper leicht gekrümmt, weil die Rippen noch immer schmerzhaft in die Lungen stachen. Aber sie zogen sich bereits wieder zurück, das Gewebe verheilte sehr rasch.
Um ihn herum hatte sich die wildeste Gruppe versammelt, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Löwen und Tiger, Bären, Luchse und Panter, sogar ein Schakal und eine Hyäne standen um ihn herum. Sie betrachteten ihn aufmerksam und witterten, manche knurrten unterdrückt. Leider wedelte keines mit dem Schwanz.
»Ein Zirkus voller Werwesen«, meinte er dann. »Die Menagerie des Schreckens. Habt ihr auch einen, der sich in ein Zelt verwandeln kann?«
Isis lächelte. »Nein. Aber wir arbeiten dran. Würde viel Arbeit ersparen.« Ein Hüne von einem Mann, der eine Hose und einen Mantel darüber trug, kam aus einem anderen Wohnwagen. Seine langen weißen Haare hingen wirr in sein Gesicht. »Mein Vater. Nennen Sie ihn Lascar.« Sie zwinkerte. »Sie kennen ihn aber als den Eisbär, der Sie aus dem Wohnwagen geschmissen hat.«
Der sehr große und sehr breite Mann baute sich vor Eric auf. »Wenn Sie meine Tochter noch einmal bedrohen, und wenn es nur mit Blicken ist, zerfetze ich Sie. Haben wir uns verstanden?« Er strich die Haare aus den Augen, die Hand war so breit und muskulös, dass sie wahrscheinlich einen ausgewachsenen Schädel umspannen und knacken könnte.
Eric nickte. »Sie ist kein Wandelwesen und damit nicht die Art von Gefahr, die ich bekämpfe.«
»Sehr schön.« Lascar deutete auf den demolierten Wohnwagen seiner Tochter. »Kommen Sie. Wir haben zu reden.« Er trat zur Seite und ließ ihm den Vortritt. »Sie sind übrigens der Erste Ihrer Art, mit dem wir reden. Die anderen wurden von uns nur … sagen wir … zum Essen eingeladen.«
Eric hörte das Bellen, Knurren und Fauchen der Wandelwesen, und es klang sehr amüsiert. Anscheinend hatten sie noch nicht gespürt, dass er einer von ihnen war.
Er ging ohne eine Erwiderung an Lascar vorbei, betrat den Wohnwagen und setzte sich auf Anweisung des Mannes, der dicht hinter ihm folgte, auf den Sessel. Hinter ihm nahmen zwei Zirkusleute Aufstellung, Lascar und Isis ließen sich ihm gegenüber nieder.
»So, Herr …«, er nahm den Ausweis, den sie ihm abgenommen hatten, »von Kastell. Reden wir darüber, dass Sie den Welpen suchen und Dinge bei sich haben, die mich annehmen lassen, dass Sie jemand sind, der Werwesen jagt und tötet.« Er schaute kurz zu Isis. »Wir beide hatten Sie bis eben wieder vergessen. Und ich wäre froh, es wäre so geblieben.«
Eric sah nur eine Chance, lebend aus dieser Lage zu entkommen. Ohne Waffen war es unmöglich, einen Kampf gegen so viele Wandelwesen zu bestehen. »Ich suche den Welpen, um ihn mitzunehmen und heilen zu lassen. Oder zu vernichten, falls mir keine andere Wahl bleibt«, sagte er
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