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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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könnte einfach nach Hause zurückkehren, das Tier in mir kontrollieren. Bis zu jenem schrecklichen Morgen, als ich die Leiche meiner Frau neben mir fand. Danach habe ich mein altes Leben aufgegeben und meine eigene … nennen wir es … mobile Sicherheitsverwahrung geschaffen. Gleichzeitig las ich viel über Lykanthropie und suchte nach Werwesen, die ähnlich dachten wie ich. Die weiterleben wollten, aber ohne Schuld. Nach und nach gelang es mir, auch wenn manch unverbesserliches Wandelwesen durch meine Hand gestorben ist.« Er taxierte Eric. »Nicht alle von uns sind die Bestien, für die Sie uns halten. Wir haben uns freiwillig die Zähne gezogen.«
    Eric hatte sich wieder einigermaßen im Griff. »Aber wie stillen Sie die Lust auf Fleisch?«
    »Friedhöfe«, antwortete Lascar ohne Schuldempfinden. »Wir sind den Toten dankbar, dass sie uns in der Erde erwarten und uns ihr Fleisch schenken. Auch Leichenhallen sind gedeckte Tafeln für uns. Ich will Ihnen nichts vormachen: Es ist nicht das Leben, das wir uns wünschen. Aber es ist eins, das wir führen können.«
    »Wissen Sie, dass es eine … eine Organisation gibt, die ein Heilmittel gegen Lykanthropie besitzt?«, fragte Eric. »Ihre Waffe ist die Heilung, nicht das Silber.«
    Lascar schenkte sich ein Bier ein und nahm einen Schluck. Er wollte möglichst gleichgültig wirken – aber Eric sah das verräterische Zucken um seine Augen. »Was für ein Heilmittel und was für eine Organisation?«
    Eric betrachtete den Mann. Damit hatte er nicht gerechnet: eines Tages auf Wandelwesen zu stoßen, die sich zum Wohl der Menschen selbst wegsperrten. Sie kastrierten sich und wurden zu harmlosen Aasfressern. Falls er nicht gerade nach Strich und Faden von Lascar und seiner Tochter verarscht wurde. »Ich werde Ihnen davon erzählen«, versprach er, »und ich kann Sie mit ihnen bekannt machen. Aber vorher beantworten Sie mir meine Frage: Was wollen Sie mit dem Welpen?«
    »Wir denken, dass er eine Chance verdient hat, leben zu dürfen. Wir beobachten ihn, und nur wenn er Anzeichen von unkontrollierbarer Raserei und Triebhaftigkeit zeigt, wird er sterben.« Lascar sagte das ganz neutral und nahm noch einen Schluck Bier. »Sie, Herr von Kastell, werden sich nicht einmischen. Und ich glaube Ihnen nicht, dass Sie ein Heilmittel besitzen. Es gibt keine solche Substanz.«
    »Wie lange wollen Sie Ihr kleines … Experiment laufen lassen?«, begehrte Eric auf. »Sie haben es mit einem reinrassigen Wandelwesen zu tun, mit der schlimmsten Art, die Sie sich vorstellen können. Sie wurde als Bestie geboren und nicht als Mensch nachträglich verwandelt.« Seine Augen wurden schmal. »Natürlich wird es Ihnen vortäuschen, domestiziert zu sein. Und dann bringt es Sie um. Heimtückisch und ohne Gnade zu zeigen.«
    »Ein Wesen ist das Produkt seiner Umwelt. Wenn wir den Welpen erziehen, wird er friedlich sein.«
    »Unsinn!«, schrie Eric den Mann an. »Wenn Sie sich nicht trauen, den Welpen zu töten, lassen Sie es mich tun. Oder geben Sie ihn mir mit, damit er …«
    »Nein.«
    »Wissen Sie überhaupt, in welcher Gefahr Ihre kleine, ach so friedliche Werwesenfarm steckt? Ich bin nicht der Einzige, der hinter ihm her ist.«
    Nun wurde der Mann hellhörig. »Noch mehr von Ihrer Sorte?«
    »Nein, das Gegenteil. Menschen, die sein wollen wie die Bestie und sich nicht um die Auswirkungen kümmern. Sie nennen sich Orden des Lycáon und wollen nur aus einem Grund zu Werwesen werden: um zu töten! Ach, verdammt, warum …« Eric schnaubte wütend auf. Er hasste die Aussichtslosigkeit dieser Situation. Mit Gewalt kam er nicht weiter, und wenn er es mit Offenheit und Ehrlichkeit versuchte, glaubte man ihm nicht.
    »Ein Orden?« Lascar grinste. »Sicher! Und was kommt noch? Der Vatikan womöglich?« Isis lachte auf, die Übrigen stimmten in die Heiterkeit ein, ein vielstimmiger Chor aus heiserem Bellen und kratzigem Schnurren.
    In dem Lärm ging der Knall fast völlig unter.
    Was …? Eric versuchte sich zu konzentrieren. Eine zuschlagende Tür klang anders. Irrte er sich, oder hatte er gerade –
    Noch bevor der nächste Knall die Werwesen zusammenzucken ließ, stanzte eine Salve fingerdicke Löcher in die Wände und traf seine Bewacher in die Oberkörper. Kugeln zischten knapp über Erics Kopf, Dichtungsmaterial und Metallschrapnelle flogen durch den Innenraum.
    Der Angriff hatte begonnen.
    Fragte sich nur, wer ihm bis hierher gefolgt war.

XXIV.
KAPITEL

    13. März 1769, Saint-Alban,
Schloss der

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