Sanctus Satanas - Das 5. Gebot: Thriller (German Edition)
nach dem Frühstück am Rande
des Dorfes Heiligenbrück entdeckt hatte.
Der frische Frühlingswind besänftigte den Modergeruch
der mürben, verwitterten Mauern.
Weiße Kirschblütenblätter wirbelten durch die Fenster,
von deren Scheiben nur noch scharfkantige Überreste erhalten waren. Zart
duftend bedeckten die Blütenblätter den wuchernden Schimmel in Ecken und
Winkeln und verliehen der verfallenen Ruine mit den vergammelten Möbeln eine
gespenstische Schönheit.
Er stand einfach da, auf der obersten Stufe der
Treppe, und starrte zu ihr hinab.
Das Licht aus dem Parterre des Hauses erhellte seine
linke Gesichtshälfte, betonte die dunklen Ringe unter seinen Augen, gab seinen
markanten Zügen etwas Surreales.
Diesem Mann war sie vorhin bereits begegnet.
Eine Begegnung der anderen Art im Haus von Tante Magda,
nachdem sie Magdas fürstliches Frühstück mit nahezu dekadentem Genuss
ausgekostet hatte.
Was, zum Teufel, macht der hier? Ist er dir gefolgt? Ein blöder Gedanke. Warum
sollte er? David Winter. Der Untermieter ihrer Tante, zwischen dreißig und
vierzig Jahre alt, groß, schlank, dunkelhaarig, mit graublauen Augen, Grübchen
in den Wangen, wenn er lächelte, lässig dastehend in blauen Jeans, grauem Hemd
und brauner Lederjacke. Dieser Mann raubte ihr den Atem.
Mach dich nicht lächerlich. Du weißt nichts von ihm. »Verfolgen Sie mich?«
»Nein.« Sein Lächeln offenbarte die Grübchen in den
Wangen, als er die Stufen hinabging und vor ihr stehenblieb. »Ich war in der
Nähe und habe Sie in das Haus gehen sehen.«
»Und das soll ich Ihnen glauben?« Sie hielt seinen Blick
fest. »Warum haben Sie mich eigentlich heute Morgen so angesehen?«
Selbst in dem schwachen Licht sah sie das Aufblitzen
in seinen Augen. »Na, ich denke, viele Männer tun das. Hässlich sind Sie ja
nicht gerade.«
»Das meine ich nicht. Und Sie wissen das.«
Sein Blick wurde dunkel. Der harte Zug um seinen Mund
war wieder da, den sie bei ihrer ersten Begegnung schon bemerkt hatte, und der
kurze Zauber zwischen ihnen verflogen.
»Sie denken also, ich verfolge Sie?«
War da Spott in seiner Stimme?
Die angerostete eiserne Kellertür gab ein schleifendes
Geräusch von sich, als er sie öffnete. Ein muffiger Geruch entwich aus der
Öffnung.
»Hier leben höchstens noch Ratten. Wissen Sie etwas
über dieses Haus, Lena?«
Wieso nennt er dich beim Vornamen?
Du solltest lieber gehen.
Stattdessen folgte sie ihm in den Keller, einem
einzigen nicht allzu großen Raum ohne weiterführende Türen, obwohl das Haus
darüber wesentlich mehr Quadratmeter hatte. »Nein, ich weiß nichts über das
Haus. Es interessierte mich nur, als ich es sah«, beantwortete sie brav seine
Frage.
Wehende Sträucher draußen vor dem winzigen Fenster des
Raumes ließen Lichtkegel auf dem Kellerboden tanzen.
David sah Lena nicht an. »Der Besitzer soll vor
zwanzig Jahren einfach verschwunden sein, hat mir Magda erzählt.«
»Pfui, Teufel.« Der Gestank nach Verwesung, Moder und
Schimmel drehte Lena den Magen um.
Da war ein Regal mit Holzkisten rechts an der Wand,
und davor auf dem Boden lagen drei verweste Kadaver von etwas, das einmal
Ratten gewesen sein mussten.
David sah sie an. »Alles in Ordnung?«
Lena fühlte sich von ihm an den Arm gefasst. Sein
Blick war voller Besorgnis, der harte Zug um seinen Mund verschwunden. »Sie
sind so blass, Lena.«
»Nur der Gestank. Lassen Sie uns gehen.«
Da war ein kurzer Widerstand, als sie sich aus seinem
Griff löste.
Der Knall, als die Kellertür zufiel, ließ sie
zusammenzucken. Deutlich war das Knacken des Türschlosses zu hören.
David blickte zur Tür. »He, was soll das?«
Lena stand wie betäubt da, als der Mann, der gerade
noch diese angenehme Ruhe ausgestrahlt hatte, schlagartig ausrastete.
Mit ein paar Schritten war er an der Tür. Schweiß trat
auf seine Stirn, als sie sich nicht öffnen ließ. »Lassen Sie uns raus!«
Wie ein Verrückter rüttelte er an der Türklinke, warf sich
gegen die Tür, hämmerte mit den Fäusten dagegen, und als das nicht half, rannte
er zu dem winzigen Fenster, aus dem er höchstens seinen Arm hinausstrecken
konnte.
Die Panik in seinen Augen war unbeschreiblich, als er mit
der Faust die Fensterscheibe zertrümmerte, weil das Fenster sich nicht öffnen
ließ. Blut lief über seine Hand.
»David!« Der derbe Stoß, den Lena erhielt, als sie ihn
an den Arm fassen wollte, ließ sie taumeln.
Gehetzt lief er zurück zur Tür, trommelte mit den
Fäusten dagegen.
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