Sanctus Satanas - Das 5. Gebot: Thriller (German Edition)
wollte. »Wohin willst du?«
»Da ist etwas in einer der Personalakten. Es muss
nichts zu bedeuten haben. Aber ich muss es überprüfen.«
»In wenigen Stunden beginnt die Heilige Messe im
Petersdom«, sagte Antonelli.
»Bis dahin bin ich längst zurück.«
Bariello blickte zu Antonelli hoch, als Marisa
gegangen war. »Heilige Messe?«
Antonelli nickte. »Der Papst hat darauf bestanden.
Mehrere Fernsehteams sind geladen, um der Welt zu zeigen, dass die katholische
Kirche diesen Mördern die Stirn bieten kann.«
»Das ist verrückt.«
»Treffender könnte ich es nicht ausdrücken,
Commissario.«
Bariello nahm die dünne Personalakte in die Hand, die
aufgeschlagen auf Marisas Schreibtisch lag. »Ist das die Personalakte, von der
Marisa gesprochen hat, Christian?«
Antonelli zuckte mit den Schultern. »Marisa hat mich
nicht eingeweiht.«
Bariello runzelte die Stirn. »CDSS.LPB. Das muss ein
Pseudonym für jemanden sein, für jemanden, dessen Identität verschleiert werden
soll, aus welchem Grund auch immer.« Er las das psychiatrische Gutachten in der
Akte. Sein Blick glitt zu Marisas Computerbildschirm. Noch immer war dort
Google-Maps aufgerufen. »Sie ist zu dieser Adresse gefahren.«
»Bitte kommen Sie schnell!«
Christian Antonelli erkannte in der hageren Frau, die
plötzlich vor ihnen stand die Verwaltungsangestellte Frederica Branca.
»Bitte kommen Sie! Es ist etwas passiert. Gott, steh
uns bei. Kardinal James William O´Neill. Er …«
32
Zur
selben Zeit war Jan Herzog völlig mit den Nerven am Ende.
Die Rolle des Schweizergardisten Major Joel Born hatte
er seit seiner misslungenen Jagd auf Kardinal Gutenberg gestern Abend abgelegt.
Major Joel Born war Geschichte.
In dem Telefonladen in der Via dell' Acquedotto Paolo
in Rom, in den er sich nach seinem Anschlag auf Kardinal Gutenberg in der
Gemelli-Klinik geflüchtet hatte, war es stickig.
Er schwitzte.
Du bist am Ende, Mann.
Du bist fertig.
Achtlos dahingeworfen als ein haariges Etwas lagen
Perücke und Bart, die ihm das Eindringen in Kardinal Gutenbergs Krankenzimmer
ermöglicht hatten, auf der Ladentheke, und die Brille, welche die Tarnung
perfektioniert hatte, lag daneben. Den Besitzer des Telefonladens hatte er in
das einzige Hinterzimmer gesperrt.
In dem Krankenwagen, mit dem er aus der Gemelli-Klinik
geflüchtet war und den er irgendwo hatte stehen lassen, hatte er Morphin
gefunden.
Die Schusswunde an seinem Bein, die dieser Commissario
Bariello ihm am gestrigen Abend auf der Anhöhe zugefügt hatte, hatte sich
entzündet. Schmerzen und Fieber quälten ihn. »Scheiße, Mann.« Er lachte kehlig.
Seine Hände zitterten, als er das Morphin mit der Spritze aus der Ampulle zog.
Sicherheitshalber kroch er hinter die Theke und setzte
sich auf den kühlen Boden. Die Schaufensterscheibe war mit einem Regal voller
Handys teilweise verstellt, die Ladentür abgeschlossen. Dennoch konnte jeder
durch die Scheibe in den Laden bis zur Theke sehen.
Er schwitzte und fror.
Das Morphin jagte ein Wohlgefühl durch seinen Körper, nachdem
seine Hand endlich die Vene im Arm ertastet und mit der Spritze das Opiat
hineingejagt hatte.
Erschöpft schloss er die Augen. Wenn du jetzt aufgibst,
war alles umsonst. Das war die Stimme seines Vaters. Jan Herzog war nicht
allein. Er war nie allein. Seine Familie war bei ihm, jede Stunde, jede Minute,
auch wenn er sie ohne den Rausch der Droge nicht immer so deutlich vor Augen
sah wie jetzt.
Der Anblick seiner Mutter war so, wie er sie beim letzten Mal
gesehen hatte, das Gesicht ausgezerrt von der zermürbenden Krankheit, der Blick
ins Leere gerichtet. Es war der Moment, nachdem sie gestorben war. Sie war noch
warm.
Und dann war da noch seine Schwester, seine große Schwester
Marie, die er trotz der üblichen Streitereien unter Geschwistern abgöttisch
geliebt hatte.
Ihre Pupillen waren geweitet, ihre Miene reglos. Gesicht und Haare
waren blutverklebt, das Blut an den Innenseiten ihrer Oberschenkel noch frisch.
Etwas ekelhaft Blutiges lag zwischen ihren gespreizten Beinen. Sie hatte keinen
Blick mehr. Sie hatte ihn verloren.
Gib nicht auf, Junge, sagte der Vater.
»Nein, Vater.«
Bring es zu Ende.
Ich kann nicht mehr, Vater. Ich bin am Ende.
Dann lass ihn es tun. Er schuldet es dir, Junge.
Wenn er jetzt aufgab, würden sie immer da sein, die
Geister seiner toten Familie.
Er fischte das Handy des Ladenbesitzers von der Theke
und wählte eine Nummer. »Ja, Jan Herzog hier. Können Sie sprechen?«
»Sie
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