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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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bis sie das hier, den ältesten Teil der Stadt betrat. Die Straßen waren gepflastert, aber es waren vor allem die Häuser, die für die Atmosphäre verantwortlich waren. Sie waren allesamt winzig: kleine Fenster und niedrige Türen für Menschen, die unter schlechter Ernährung gelitten und ein hartes Leben geführt hatten. Auch bestanden sie aus den unterschiedlichsten Materialen aus allen Epochen der langen Stadtgeschichte. Römische Pfeiler ragten aus mittelalterlichen Mauern, und die Lücken waren mit Eichenbalken und Fachwerk gefüllt. Liv kam an einer offenen Tür vorbei mit einer Hand Fatimas als Griff, Zeugnis der langen Besetzung der Stadt durch die Muslime. Hinter der Tür lag ein kleiner Hof voller Pflanzen: Limonenbäume in voller Blüte und Bananenstauden mit ihren langen Blättern. Boden und Wände zierten eindrucksvolle Mosaiken. Das nächste Haus wiederum sah wie ein typisches italienisches Stadthaus aus dem 19. Jahrhundert aus, und daneben stand eine Mischung aus antiker griechischer Villa und napoleonischer Festung. Gelegentlich tat sich eine Lücke in diesem Sammelsurium von Häusern auf, und Liv sah die modernen Gebäude unten auf der Ebene, die sich bis zu den Bergen erstreckte.
    Eine leichte Brise wehte durch die schmale Straße und brachte warme Luft sowie den Duft von Essen. Wieder einmal wurde Liv daran erinnert, wie hungrig sie war. Liv marschierte zielstrebig zu dem Stand, von dem der betörende Duft ausging. Fladenbrot und Dips wurden dort verkauft, und auch das Essen erinnerte daran, wie vielen unterschiedlichen kulturellen Einflüssen die Stadt im Laufe ihrer Geschichte ausgesetzt gewesen war. Doch so blutig die Geschichte am Fuß der Zitadelle auch gewesen sein mochte, von all den Religionskriegen, die in ihrem Schatten ausgefochten worden waren, und all den Imperien aus alter Zeit waren nur eine außergewöhnliche Architektur und gutes Essen geblieben.
    Liv zog eine Banknote aus dem Umschlag und tauschte sie gegen ein dreieckiges Stück Brot und eine Schüssel Baba Ganoush ein. Sie nahm die dicke Paste mit dem Brot auf und steckte sie sich in den Mund. Die Paste schmeckte rauchig und nach Knoblauch; dazu kam eine Mischung aus gebranntem Sesam, gebratener Aubergine und den unterschiedlichsten Gewürzen im Hintergrund. Es war das Köstlichste, was Liv je gegessen hatte. Sie wollte sich gerade eine zweite Fuhre in den Mund stopfen, als ihr Handy klingelte.
    »Hallo«, sagte sie mit vollem Mund.
    »Wo zum Teufel warst du?«, brüllte Rawls ins Telefon. Liv stöhnte innerlich. Sie hatte ihr Handy wieder eingeschaltet, als sie die Zeitungsredaktion verlassen hatte, damit Dr. Anata sie erreichen konnte. Rawls hatte sie ganz vergessen.
    »Ich mache mir hier die größten Sorgen«, tobte er weiter. »Ich habe gerade auf CNN gesehen, wie man dich in einen Polizeiwagen verfrachtet hat. Was zum Teufel ist da unten los?«
    »Keine Sorge«, erwiderte Liv und kaute. »Es geht mir gut.«
    »Sicher?«
    »Sicher.«
    »Warum hast du mich dann nicht angerufen? Ich habe der Frau im Büro gesagt, sie solle dich bitten, mich zurückzurufen.«
    »Das muss sie vergessen haben. Sie scheint mir ein wenig von der Rolle zu sein.«
    »Wie auch immer ... Jetzt erzähl mir, was los ist.«
    Das war genau die Art von Gespräch, die Liv eigentlich hatte vermeiden wollen. »Ich versuche nur herauszufinden, was mit meinem Bruder passiert ist«, sagte sie. »Es geht mir gut. Mach dir keine Sorgen um mich.«
    »Du klingst außer Atem.«
    »Ich bin auch außer Atem. Ich marschiere gerade ziemlich schnell einen ziemlich steilen Berg hinauf.«
    »Ah ja. Trotzdem solltest du nicht so keuchen. Du musst besser auf dich achtgeben. Und du solltest aufhören zu rauchen.«
    Erst da fiel Liv auf, dass sie sich schon stundenlang nach keiner Zigarette mehr gesehnt hatte, und das trotz all des Stresses. »Ich glaube, das habe ich schon«, sagte sie.
    »Gut. Das ist gut. Hör zu ... Ich möchte, dass du etwas für mich tust.« Das war es also. Liv hatte sich schon gedacht, dass Rawls sich nicht wirklich um ihr Wohlbefinden gesorgt hatte. »Schreib dir mal diese Nummer auf«, sagte er.
    »Moment.« Liv holte ihren Stift aus der Tasche und schrieb die Nummer auf die Hand.
    »Wer ist das?«, fragte sie.
    »Das ist diese Verkehrspolizistin, deren Zwillinge letztens auf die Welt gekommen sind. Du warst ja dabei.«
    »Bonnie?«
    »Ja, Bonnie. Ich weiß, das ist ein schlechter Zeitpunkt, aber ich brauche diese Story fürs Wochenende. Ich habe

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