Sanctus
wiederholt durchstochen von gebrochenen Knochen und nur notdürftig zusammengehalten, nachdem der Gerichtsmediziner es aufgeschnitten hatte.
Können sich die Überreste eines Mannes wirklich wieder erheben und die Prophezeiung erfüllen?
Der Abt bemerkte das dünne Tentakel einer Blutranke, das sich um den Altar wand. Er folgte ihm in die Dunkelheit, bis er die Wurzel in einer der Blutrinnen auf dem Boden fand. Er packte sie und riss daran, bis die Pflanze sich löste. Dann trat er zu einer der Fackeln und hielt die sehnige Pflanze in die Flamme. Sie zischte und verwandelte sich in nichts, bis nur noch eine geschwärzte Faser und ein Flecken roten Harzes in der Hand des Abts davon übrig geblieben waren.
Die Fackel flackerte, als sich die Tür hinter dem Abt öffnete. Der Abt drehte sich um und rieb sich die Hand am groben Stoff seiner Soutane ab. Das Harz juckte ihn. Bruder Septus, einer der Mönche, die Samuel wieder in den Berg geholt hatten, stand auf der Schwelle.
»Wir sind bereit für dich, Vater Abt«, sagte er.
Der Abt nickte und folgte Bruder Septus in einen anderen Raum der Oberen Gemächer, in einen Raum, der seit den Zeiten der Großen Inquisition nahezu unbenutzt gewesen war.
Die Tür schloss sich hinter ihnen und sperrte Bruder Samuel mit dem Sakrament ein. Wieder flackerten die Fackeln kurz ...
... und einen Augenblick lang sah es so aus, als hätte Samuel sich bewegt.
K APITEL 89
Rodriguez schaute Samuel ebenfalls an. Er stand auf der berühmten Brücke im Central Park, den Arm um die Schulter eines Mädchens gelegt, das genauso aussah wie er. Das Foto steckte in einem billigen Bilderrahmen wie auch die anderen an der Wand des Apartments.
Der Einbruch war leicht genug gewesen. Die Frau lebte im Erdgeschoss eines Wohnblocks, der nahe genug am Stadtzentrum lag, um junge Berufstätige anzuziehen, und als Rodriguez hier eingetroffen war, waren schon alle auf der Arbeit gewesen. Er hatte nur in den winzigen Garten mit den dichten Büschen springen müssen, die ihm genügend Deckung boten, und dann hatte er seine Windjacke um die Hand gewickelt und eine Scheibe eingeschlagen. Seine Brüder in Trahpah würden sich um die Frau kümmern. Seine Aufgabe bestand darin sicherzustellen, dass es diesseits des Atlantiks keine Probleme mehr gab.
Rodriguez hatte Samuel zu dessen Lebzeiten nicht sonderlich gut gekannt, und nun empfand er es irgendwie als seltsam, Fragmente von Samuels Leben an der Wand seiner Schwester zu sehen. Ein weiteres Foto zeigte ihn noch wesentlich jünger in einem Ruderboot mit einer gleichfalls jüngeren Version des Mädchens. Beide hatten zum Schutz vor der Sonne die Augen zusammengekniffen. Rodriguez hatte auch Fotos in der Nähe des Telefons gefunden, teilweise versteckt hinter den Pflanzen, die auf nahezu jeder freien Fläche wucherten.
Rodriguez schaltete den Anrufbeantworter ein und rief die Nachrichten ab, während er alles Papier, das er finden konnte, im Wohnzimmer stapelte. Es gab zwei Nachrichten. Beide stammten von jemandem, der der Boss der Frau zu sein schien. In jedem Fall beschwerte der Mann sich lautstark, dass sie ihm einen Artikel nicht geschickt hatte.
Rodriguez zog das Laken von Livs ungemachtem Bett und warf es auch auf den Haufen. Er erinnerte sich an einen Film, den er als Kind mal gesehen hatte. Darin war es um einen Kerl gegangen, der von Aliens geradezu besessen gewesen war, und der sein Haus genauso mit einem Berg Schrott gefüllt hatte.
Nun kam Rodriguez sich wie ein Alien vor.
Als er genug brennbares Material gesammelt hatte, ging er durch den Rest der Wohnung und verteilte Benzin auf Bett, Teppich und Couch. Da er keine Zeit hatte, alles gründlich zu durchsuchen, musste er es vernichten.
Rodriguez ging auf dem gleichen Weg wieder hinaus, wie er hereingekommen war. Dann warf er ein brennendes Streichholz durchs Fenster. Das Benzin fing sofort Feuer. Rodriguez blieb nicht und schaute es sich an, obwohl ihm das sehr gefallen hätte. Er musste noch zwei Zwischenstopps einlegen, bevor er für immer von hier verschwinden konnte.
Außerdem verrichtete er Gottes Werk. Da war keine Zeit für Vergnügen.
K APITEL 90
Liv brauchte keinen Stadtplan, um die Zitadelle zu finden. Sie musste nur ungefähr in die Richtung gehen und sich dann von den Touristenmassen tragen lassen, vorbei an den Ticketschaltern, durch das Tor und die schmalen Gassen zum berühmtesten Berg der Welt hinauf.
Liv war nie wirklich klar gewesen, wie alt dieser Ort war – jedenfalls
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