Sanctus
war. Sie bog sie wieder zurecht und zog sie noch mal durch das Lesegerät.
Noch immer nichts.
Kathryn schaute sich um. Sie suchte nach einem anderen Schloss, nach einem anderen Fluchtweg; dann sah sie die Überwachungskamera, die wie eine Krähe in der Ecke hockte. Das rote Licht an der Linse blinkte, und Kathryn erkannte voller Panik, dass das Tor sich nicht öffnen würde.
Sie saß in der Falle.
*
Gabriels linker Arm brannte vor Schmerz, als er die entkleidete Leiche des Mönchs in den Fallschirm wickelte und sie über das feuchte Gras zu einem Laubhaufen zerrte. Er hatte einen bösen Schlag abbekommen, als er in den Bäumen gelandet war, und nun, da er nach der Landung nicht mehr so viel Adrenalin im Blut hatte, machte sich auch der Schmerz bemerkbar. Er konnte seine Finger gerade noch bewegen, aber mit Sicherheit nichts mehr greifen. Es fühlte sich an, als seien sie gebrochen.
Gabriel drückte die Hand an den Körper und schaufelte mit der gesunden rechten Hand Laub über den toten Mönch; dann ging er zu dem Apfelbaum, wo er seinen Rucksack versteckt hatte. Über sich hörte er das Rauschen der Blätter und die fernen Geräusche der Stadt, doch kein gedämpfter Knall ließ die Erde unter seinen Füßen erbeben. Vielleicht war etwas schiefgelaufen.
Gabriel griff in den Rucksack, holte seinen PDA heraus und schaltete ihn ein.
Das Display zeigte einen pulsierenden weißen Punkt am oberen Rand. Andere Informationen gab es nicht. Das Gitter, das die Straßen der Stadt symbolisiert hatte, war verschwunden. Gabriel hatte die Grenzen der Karte überschritten. Ohne Referenzpunkte konnte er das Programm nur noch nutzen, um grob die Richtung zu bestimmen; dabei folgte das Signal dem Sender in Samuels Leiche. Gabriel war ziemlich sicher, dass sie Liv dorthin bringen würden, wo sie auch ihren Bruder hingebracht hatten.
Er biss die Zähne zusammen und zog sich die rote Soutane über Kopf und Arme. Durch die Bäume hindurch sah er Licht hinter einem Fenster, hoch oben an der Wand. Er behielt es im Auge, während er die Pistole aus dem Rucksack holte und weiter auf die Explosion wartete. Inzwischen sollte es schon längst geknallt haben. Gabriel vertraute darauf, dass der Schock der Explosion und der Rauch genug Chaos verursachen würden, dass er sicher in den Berg gelangen konnte. Aber er konnte nicht ewig warten. Irgendwann würde jemand den Mönch vermissen, den er gerade getötet hatte, und nach ihm suchen. Vielleicht würde man auch direkt Alarm geben. Aber wie auch immer ... Gabriel konnte sich das nicht leisten, nicht wenn er Liv lebend wieder hier rausbringen wollte. Seine Gedanken wanderten zu seiner Mutter, und er fragte sich, was wohl geschehen war, doch rasch verdrängte er diese Gedanken wieder. Mit Spekulationen kam er auch nicht weiter.
Gabriel wartete noch ein paar Sekunden und versuchte, die steife linke Hand zu bewegen. Tatsächlich ließ sie sich ein bisschen bewegen. Zwar schmerzte es höllisch, aber das würde reichen müssen. Das Licht im Fenster veränderte sich leicht, als jemand vorbeiging. Gabriel stand auf und steckte die Hände in die Ärmel – in der gesunden hielt er die Waffe, in der anderen den PDA, so gut er konnte. Er ging über das Gras und folgte dem Pfad zu einer Tür und in die Zitadelle.
*
In Kathryn stieg Panik auf.
Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit ihr noch blieb, bis der Van in die Luft flog. Verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg.
Denk nach, verdammt noch mal!
Der Tunnel war kurvig. Daher war es durchaus möglich, dass seine Form sie vor der vollen Wucht der Explosion schützen würde. Sie stellte sich vor, was passieren würde, wenn die Druckwelle durch den engen Raum raste. Sie würde mit voller Wucht gegen das Stahltor geschleudert werden. Sie musste auf den Boden und sich so gut es ging in eine Ecke ducken, um der Druckwelle so wenig Angriffsfläche wie möglich zu geben. Kathryn sprang über das Motorrad hinweg und warf sich zu Boden. Dabei bemerkte sie den Helm, der noch immer am Lenkrad hing. Sie setzte ihn auf. Vielleicht schützte er sie ein wenig. Dann drückte sie sich an die Wand und überlegte, was sie sonst noch tun könnte.
Sie atmete tief ein, hielt sich die Nase zu ...
... und blies mit aller Kraft.
K APITEL 138
Der Knall hallte durch den Berg wie Donner. In der Dunkelheit der Großen Bibliothek fielen Bücher aus den Regalen, und Staub rieselte von der Decke. Athanasius hob den Blick. Es war, als hätte der Berg ihm über die Schulter
Weitere Kostenlose Bücher