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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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eine Schnittwunde, sondern eher um eine Brandverletzung.« Er unterbrach die Aufnahme und blickte zu Arkadian. »Sieht so aus, als sei der Kerl gebrandmarkt worden ... wie ein Stück Vieh.«
    Arkadian schaute sich das ›T‹ auf dem Oberarm des Mönchs an; an andere Fälle verschwendete er keine Gedanken mehr. Er schnappte sich Reis’ Kamera. Auf dem LCD-Display war das Bild des Mönchs auf dem Obduktionstisch zu sehen. Arkadian betätigte den Auslöser, und das Bild wurde drahtlos in die Akte übertragen.
    »Eine weitere Narbe verläuft den Brustkorb entlang. Sie wird von einer weiteren gekreuzt, die vom Sternum bis zum Nabel reicht.« Reis hielt kurz inne. »In Form und Größe ähnelt das Bild dem Y-förmigen Schnitt, den wir während einer Autopsie anlegen, um die Organe zu entnehmen.
    Vom linken Nippel wiederum gehen vier gerade Linien aus, die im rechten Winkel zueinander stehen und so ein Kreuz bilden. Diese scheinen älter zu sein und sind ungefähr ...« Reis zog wieder das Maßband heraus. »... zwanzig Zentimeter lang.« Er sah sich den Toten genauer an. »Auf der rechten Seite des Torsos findet sich ein weiteres Kreuz, diesmal knapp unterhalb der Rippen. Dieses ist gut fünfzehn Zentimeter groß. Eine weitere, kürzere Narbe von etwa fünf Zentimetern, die einem christlichen Kreuz ähnelt, ist leicht eingesunken. Diese Narbe ist recht alt und nicht erneut geöffnet worden. Vielleicht ist sie nicht von so großer Bedeutung wie der Rest.«
    Arkadian machte ein weiteres Foto und schaute sich das kleine Kreuz an. Dann trat er einen Schritt zurück und versuchte, dem Gesamtbild einen Sinn zu entnehmen. »Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?«, fragte er Reis.
    Reis schüttelte den Kopf. »Ich vermute, das stammt von einer Art Initiationsritus. Aber die meisten dieser Narben sind nicht frisch; deshalb weiß ich nicht, ob sie was mit dem Sprung zu tun haben.«
    »Er ist nicht einfach nur gesprungen«, sagte Arkadian.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Bei den meisten Selbstmorden ist der Tod das Hauptziel, aber nicht bei dem Kerl hier. Sein Tod war irgendwie ... zweitranging. Ich glaube, etwas anderes war sein Motiv.«
    Reis hob die Augenbrauen so hoch, dass sie unter seiner Mähne verschwanden. »Wenn man von der Spitze der Zitadelle springt, dann steht der eigene Tod doch wohl ganz weit oben auf der Prioritätenliste.«
    »Aber warum ist er bis ganz nach oben geklettert? Es hätte doch auch gereicht, sich aus einem Fenster zu stürzen.«
    »Vielleicht hatte er ja Angst, als Krüppel zu enden. Eine Menge Möchtegernselbstmörder landen im Krankenhaus und nicht hier.«
    »Trotzdem«, beharrte Arkadian, »bis ganz nach oben zu klettern war definitiv unnötig. Und er hätte auch nicht so lange warten müssen, aber das hat er. Er hat dort oben Gott weiß wie lange gestanden, und das in eisiger Kälte und mit blutenden Wunden, und auf den Morgen gewartet. Warum?«
    »Vielleicht hat er sich ja ausgeruht. Nach so einem Aufstieg wäre jeder fertig; zumal, wenn derjenige dann auch noch Blut verliert. Vielleicht ist er vor Erschöpfung zusammengebrochen, als er den Gipfel erreicht hat, und erst die Sonne hat ihn wieder geweckt. Dann ist er gesprungen.«
    Arkadian runzelte die Stirn. »Aber so war das nicht. Er ist nicht einfach nur aufgewacht und gesprungen. Er hat mehrere Stunden lang mit ausgestreckten Armen dort gestanden. Genau so.« Er machte die Pose nach. »Warum hätte er das tun sollen, wenn er allem doch nur ein Ende hätte machen wollen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass die öffentliche Art seines Todes irgendwie von Bedeutung ist. Es gibt nur einen Grund, warum er so lange gewartet hat: Er wollte Zuschauer haben. Hätte er seinen kleinen Stunt mitten in der Nacht durchgezogen, bezweifele ich, dass er damit in die Nachrichten gekommen wäre. Er wusste genau, was er tat.«
    »Okay«, gab Reis nach. »Vielleicht hat der Kerl als Kind ja nicht genug Aufmerksamkeit bekommen. Was macht das für einen Unterschied? Tot ist tot.«
    Arkadian dachte kurz nach.
    Ja, was machte das für einen Unterschied ...?
    Arkadian wusste, dass sein Boss die ganze Sache schnell und schmerzlos erledigt sehen wollte, und das Vernünftigste wäre gewesen, er hätte seine angeborene Neugier unterdrückt und aufgehört, unbequeme Fragen zu stellen. Andererseits hätte er genauso gut seine Dienstmarke abgeben und eine Pension aufmachen können.
    »Hören Sie«, sagte er zu Reis. »Ich habe nicht um diesen Fall gebeten. Ihr Job ist es

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