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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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wir mit allem an, was uns zur Verfügung steht.«

K APITEL 29
    Reis griff über den toten Mönch hinweg bis zur Spitze des Brustbeins. Dann stach er mit dem Skalpell zu und schnitt das Fleisch entlang der alten Y-förmigen Narbe auf. Schließlich klappte er Haut und Fleisch des Mönchs beiseite, sodass die zerstörten Rippen darunter zum Vorschein kamen. Normalerweise hätte er an diesem Punkt der Autopsie den Brustkorb mit einer schweren Schere aufgebrochen, um an die inneren Organe zu gelangen, doch der Sturz hatte ihm die meiste Arbeit abgenommen. So reichten ein paar weitere Schnitte, und er hatte freien Zugang zu den Innereien.
    »Drücken Sie bitte mal den Aufnahmeknopf für mich«, sagte Reis und nickte zum Computer. »Ich habe hier alle Hände voll zu tun.«
    Arkadian schaute kurz auf das blutige Loch und drückte dann den Knopf.
    »Okay«, sagte Reis in beinahe fröhlichem Ton, »dann wollen wir mal ... Auf den ersten Blick befinden sich die inneren Organe angesichts des Sturzes in überraschend gutem Zustand. Die Rippen haben ihre Schutzfunktion offenbar gut erfüllt, auch wenn sie selbst dabei so gut wie völlig zerstört worden sind.«
    Er legte die Rippenstücke auf ein Stahltablett, löste dann die wichtigsten Organe mit ein paar geschickten Schnitten von der Wirbelsäule, hob sie als Ganzes heraus und legte sie in einen großen Metallcontainer.
    »Die Leber weist Prellungen auf«, sagte er, »doch keines der Hauptorgane ist ungewöhnlich blass. Das heißt, er ist nicht verblutet. Das Opfer ist offenbar an massivem Organversagen nach schwerem Trauma gestorben, was ich allerdings noch im Labor überprüfen werde.«
    Reis trug den Container zu einem Arbeitstisch, vermaß die Organe und entnahm Gewebeproben.
    Arkadian schaute zu dem Fernseher in der Ecke und wurde erneut mit dem unheimlichen Bild des Mannes konfrontiert, der nun auf dem Obduktionstisch lag; nur dass er in den Nachrichten stolz und sehr lebendig auf dem Gipfel der Zitadelle stand. Das waren die Bilder, die inzwischen alle Nachrichtensender verwendeten. Deutlich war zu sehen, wie der Mönch zur Kante schlurfte, nach unten blickte, nach vorne fiel und plötzlich außer Sicht verschwand. In dem Versuch, den Sturz zu verfolgen, wurde die Kamera nach unten gerissen und aufgezoomt. Irgendwie erinnerte das Arkadian an den Zapruder-Film des Attentats auf Kennedy. Das Ganze hatte etwas Bedeutendes und ungeheuer Schreckliches an sich. Im letzten Moment verlor die Kamera den Mönch aus den Augen. Dann war der Fuß des Bergs zu sehen, und die Gaffer sprangen erschrocken von dem am Boden zerschellten Mann zurück.
    Arkadian senkte den Blick. Er ging die Szene im Geiste noch einmal durch, jede Einzelheit des Sturzes ...
    Arkadian schaltete das Aufnahmegerät aus.
    »Das war Absicht«, flüsterte er vor sich hin.
    Reis drehte sich kurz zu ihm um. »Natürlich war das Absicht.«
    »Nein, nein. Ich meine die Art, wie er gefallen ist. Springer springen einfach und fallen meist mit dem Kopf voran.«
    »Der Kopf ist ja auch der schwerste Teil des Körpers«, sagte Reis. »Ist der Sturz tief genug, zieht die Schwerkraft ihn stets nach unten.«
    »Und ein Sturz vom Gipfel der Zitadelle reicht wohl dafür aus. Sie ist mehrere hundert Meter hoch. Aber unser Mann ist in der Waagerechten geblieben ... bis ganz nach unten.«
    »Und?«
    »Also war es ein kontrollierter Sprung.«
    Arkadian ging zu der beiseitegelegten Soutane und wühlte darin herum, bis er einen Ärmel fand. »Schauen Sie. Diese Risse unten an den Ärmeln. Die waren für seine Hände. Das heißt, er konnte seine Soutane zu einer Art Flügel spannen.« Er ließ den Ärmel wieder los und suchte nach dem Saum. »Gleiches gilt für die Füße.« Er drehte sich wieder zu Reis um. »Deshalb ist er auch nicht kopfüber gefallen. Er ist nicht vom Berg gesprungen , er ist geflogen .«
    Reis schaute zu dem zerschundenen Leib auf dem Tisch. »Dann sollte er das mit der Landung besser noch mal üben.«
    Arkadian ignorierte den Spott und folgte seinem neuen Gedankengang. »Vielleicht hat er geglaubt, den Sturz weit genug abbremsen zu können, um ihn zu überleben. Oder vielleicht ...«
    Wieder stellte er sich den Mönch vor, die Arme ausgestreckt, den Kopf hochgehalten, als konzentriere er sich auf etwas, als habe er ...
    »Gezielt.«
    »Wie bitte?«
    »Ich glaube, er hat auf eine bestimmte Stelle gezielt.«
    »Warum sollte er das denn tun?«
    Das war eine gute Frage. Warum sollte man eine bestimmte Stelle

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