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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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der Kaffeemaschine und versuche, mich auf den aktuellen Stand echter Polizeiarbeit zu bringen.« Er drehte sich um. »Rufen Sie einfach, wenn Sie noch etwas finden.«
    »Oh, das werde ich.« Reis griff nach einem Skalpell. »Möchten Sie wirklich nicht zusehen? Ich werde ihm als Erstes sein Gewand abnehmen. Schließlich bekommt man nicht jeden Tag einen nackten Mönch zu sehen.«
    »Sie sind ein sehr, sehr kranker Mann, Reis. Wissen Sie das?« Arkadian nahm das Telefon und überlegte, um welchen seiner sechs aktuellen Fälle er sich als Erstes kümmern sollte.
    Reis lächelte. »Krank!«, murmelte er vor sich hin. »Machen Sie das mal jeden Tag, und versuchen Sie, dabei normal zu bleiben.«
    Er beugte sich über den Kragen des toten Mönchs und begann zu schneiden.

K APITEL 24
    Athanasius folgte dem Lichtfaden im Boden um die Ecke herum und in den langen, dunklen Gang, an dessen Ende das Verbotene Gewölbe wartete. Falls sich jemand vor ihm befand, so konnte er denjenigen zumindest nicht sehen. Das blutrote Licht im Gewölbe reichte nicht weit. Athanasius hasste die Dunkelheit, aber noch mehr hasste er die Tatsache, dass er auch nichts hören konnte. Er hatte einmal mitbekommen, wie Thomas das Samuel erklärt hatte. Es hatte etwas mit einem konstanten Niederfrequenzsignal zu tun, unhörbar für Menschen, das dafür sorgte, dass Schallwellen nicht weiter reichten als das Licht, das den Besucher umgab. Das hieß, man konnte ein paar Meter von jemandem entfernt sein und trotzdem nicht hören, was derjenige sagte. Dadurch herrschte in der Bibliothek stets angemessene Ruhe, selbst wenn überall Gelehrte leidenschaftlich diskutierten.
    Athanasius hatte den Korridor zur Hälfte durchquert, als er es sah. Nur kurz, am Rand seines Lichtkreises. Ein weißes, geisterhaftes Blitzen in der Dunkelheit.
    Erschrocken sprang Athanasius zurück und ließ seinen Blick durch die Dunkelheit schweifen. Er versuchte, erneut zu finden, was er glaubte, gesehen zu haben. Dann traf ihn irgendetwas in den Rücken, und er wirbelte herum, doch da war nur ein großes, steinernes Bücherregal. Athanasius riss den Kopf wieder herum und versuchte von neuem, die Finsternis zu durchdringen.
    Und er sah es erneut.
    Zuerst waren es nur schwache Umrisse – wie ein Netz, das durch die Dunkelheit trieb. Dann, als das Ding näher kam, schälte sich die schlurfende Gestalt eines Mannes heraus. Sein Körper war dünn und knochig; er sah kaum stark genug aus, die Soutane zu tragen, die wie eine abgestreifte Haut an seinen schmalen Schultern hing, und sein langes, dünnes Haar fiel ihm in Strähnen über die blinden Augen. Auch wenn der Anblick eher unheimlich war, entspannte sich Athanasius angesichts des langsam näher kommenden Mönchs wieder.
    »Bruder Ponti«, keuchte er. »Du hast mich erschreckt.«
    Bruder Ponti war der Pedell, ein alter Mönch, dessen Aufgabe es war, sich um die Reinigung der Großen Bibliothek zu kümmern, denn aufgrund seiner Blindheit brauchte er kein Licht. Nun drehte Bruder Ponti sich in Richtung der Stimme um, und sein milchiger Blick ging direkt durch Athanasius hindurch. »Tut mir leid«, krächzte er. Seine Stimme war so trocken wie die Pergamente, um die er sich kümmerte. »Ich versuche immer, mich möglichst nahe an der Wand zu halten, um mit niemandem zusammenzustoßen, doch hier ist es ein wenig eng, Bruder ...?«
    »Athanasius.«
    »Ah, ja.« Ponti nickte. »Athanasius. Ich erinnere mich an dich. Du warst schon einmal hier, nicht wahr?« Er deutete in Richtung des Verbotenen Gewölbes.
    »Ja. Einmal«, bestätigte Athanasius.
    »Jaja. Nun denn«, sagte Bruder Ponti und drehte sich steif in Richtung Ausgang um, »ich will dich nicht aufhalten. Du wirst sehen, dass schon jemand dort ist, und wenn ich an deiner Stelle wäre, dann würde ich ihn nicht warten lassen.«
    Dann verschmolz er mit der Dunkelheit.

K APITEL 25
    Reis brauchte mehrere Minuten, um den blutdurchtränkten Stoff der Soutane aufzuschneiden. Erst schnitt er vom Kragen zum Saum und dann die Ärmel entlang, wobei er sorgfältig darauf achtete, nicht den Körper zu beschädigen. Schließlich drehte er den Leichnam so, dass er den Stoff entfernen und auf einen Rollwagen legen konnte. Den würde man dann später zusammen mit den anderen Beweismitteln in die Kriminaltechnik bringen.
    Körperlich war der Mönch in ziemlich guter Verfassung.
    Oder zumindest wäre er das noch gewesen, wäre er nicht aus mehreren hundert Metern Höhe auf die harte Erde

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