Sanctus
an der Zeit ... dass wir uns ... in die Hand des Schicksals begeben ... Sollen die Würfel fallen ... wie sie wollen ... Ich habe meine Entscheidung ... getroffen ... Sag meinen Pflegern ... dass ich ruhen will ... und schließ die Tür ... beim Rausgehen ...«
Der Abt stand ein paar Augenblicke lang einfach nur da. Er konnte nicht glauben, dass sein Antrag gerade abgelehnt worden war. Er beobachtete, wie der Prälat wieder nach oben starrte. Der alte Mann sah aus, als liege er bereits in seinem Grab.
Ich wünschte, das wäre auch so , dachte der Abt, verneigte sich und verließ den Raum.
Draußen warteten die Apothecari.
»Lasst ihn allein«, sagte der Abt, als er an ihnen vorbeistürmte. »Er gedenkt, über sein Erbe zu sinnieren.«
Die Weißmäntel schauten einander verwirrt an. Sie wussten nicht, was der Abt damit meinte. Doch als sie sich wieder umdrehten, um ihn danach zu fragen, war er bereits die Treppe hinuntergerannt.
Der alte Narr , dachte der Abt und stapfte durch die Gänge. Kein Wunder, dass unsere geliebte Kirche so schwach geworden ist.
Der Abt genoss die Kälte des Bergs. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und ging zur großen Kathedralenhöhle, wo sich die Mönche und Laienbrüder bald zur Vesper versammeln würden.
Finde und beobachte sie.
Die Worte des Prälaten hallten im Kopf des Abts wider und schienen ihn zu verspotten. Eines hatte er Seiner Heiligkeit jedoch verschwiegen. Bei dem Gespräch mit dem Mädchen hatte er eine Lautsprecherdurchsage im Hintergrund gehört. Sie war an einem Flughafen gewesen. Sie kam nach Trahpah.
Der Abt hatte sie also gefunden, und sie kam freiwillig an einen Ort, wo sie leicht zu überwachen war ... und sobald der Tod sich seines Herrn erbarmt hatte, würde er sich auf seine Art um sie kümmern.
K APITEL 41
Im Raub- und Morddezernat ging es schon deutlich entspannter zu. Es war kurz nach sechs Uhr abends. Das war eine ruhige Zeit, abgesehen vom Klappern der Tastaturen. Nachmittags wurden für gewöhnlich weder Raubüberfälle noch Morde begangen; die ideale Zeit also, den Papierkram zu erledigen. Arkadian saß an seinem Schreibtisch und starrte mürrisch auf den Computer. Sein Telefon war kaum verstummt. Irgendwie hatte die Presse seine Durchwahl herausbekommen, und nun klingelte es alle zwei, drei Minuten, und irgendjemand fragte ihn über den Fall aus, dessen Akte gerade den Bildschirm ausfüllte. Auch der Polizeichef hatte ihn schon persönlich angerufen. Er hatte wissen wollen, wann sie eine offizielle Erklärung herausgeben konnten. Arkadian hatte ihm erklärt, dass nur noch die Zeugen überprüft werden müssten ... und genau das war der Grund, warum er jetzt so finster dreinblickte.
Nach seinem Gespräch mit der jungen Frau hatte Arkadian den Namen, den sie ihm genannt hatte, durch die Datenbanken gejagt und ein Dossier zu Samuel Newton angelegt. Wenigstens eine Geburtsurkunde hatte er gefunden, wenn auch eine unvollständige. Zwar hatte sich bestätigt, dass Samuel Newton in einem Ort namens Paradise in West Virginia geboren worden war, Vater – Gärtner, Mutter – Botanikerin, aber der Name des Kindes war schlicht mit ›Sam‹ und nicht mit ›Samuel‹ angegeben. Einige Felder des Formulars waren außerdem leer, einschließlich des Feldes zum Geschlecht des Kindes. Doch Arkadians Suche hatte nicht nur eine Geburtsurkunde, sondern auch einen Totenschein zutage gefördert, der belegte, dass die Mutter tragischerweise acht Tage nach der Geburt verstorben war.
Zu den ersten Lebensjahren von Samuel Newton gab es so gut wie nichts; viele Dokumente, die Arkadian erwartet hatte, waren schlicht nicht vorhanden. Ein paar Zeitungsartikel berichteten schließlich über den für sein Alter mit ungewöhnlichen bergsteigerischen Fähigkeiten gesegneten neunjährigen Samuel. Einer enthielt sogar ein Foto, das den Jungen auf einem gefährlich aussehenden Gipfel zeigte, den er offenbar gerade erobert hatte. Arkadian verglich das Bild des dürren, grinsenden Jungen mit den Fotos, die er während der Autopsie gemacht hatte. Da war definitiv eine Ähnlichkeit zu erkennen.
Späteren Artikeln zufolge hatten die Kletterkünste des jungen Sam wohl indirekt zum Tod seines Vaters geführt. Auf dem Weg zurück von einem Kletterwettbewerb in den italienischen Alpen hatte sie ein Schneesturm überrascht, und ihr Wagen war außer Kontrolle geraten und in eine Schlucht gestürzt. Sowohl Vater als auch Sohn hatten den Sturz zwar überlebt, aber schwere
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