Sanctus
Sudan, wo Felder neu angelegt werden sollten, die vom jahrelangen Bürgerkrieg verwüstet waren.
Arkadian konnte nur ahnen, was an solchen Orten zu den Aufgaben eines Sicherheitsberaters gehörte, aber eines war klar: Der Mann war ganz eindeutig ein Heiliger, und das machte seine Anwesenheit heute Morgen in der Leichenhalle nur umso überraschender.
Arkadian kehrte wieder zur Startseite zurück und klickte auf ›Kontakt‹. Die erste Adresse war in Rio de Janeiro. Das erklärte die Statue. Dann gab es noch welche in New York, Djakarta und eine in Trahpah – Straße der Exegese im Gartenviertel, ein kleines Stück östlich des Polizeigebäudes.
Arkadian schrieb die Adresse auf die Rückseite des Kameraausdrucks, faltete das Papier und steckte es sich in die Tasche.
K APITEL 78
Allein in der weiß gefliesten Umkleidekabine tupfte Liv ihre gerötete Haut mit einem kratzigen Handtuch ab. Sie hörte, wie jemand im Pool hinter der Dusche seine Bahnen schwamm.
Der kleine Stapel weiß-blauer Trainingskleidung, die der Subinspektor ihr gegeben hatte, strahlte förmlich neben ihrer alten Bluse und den Jeans. Liv zog sich die Hose und ein weißes T-Shirt an. POLIZEI stand in großen schwarzen Buchstaben vorne und hinten auf dem T-Shirt. Dann holte sie ein paar Dollar und Kleingeld aus ihrer Jeans und wischte ihr verdrecktes Handy sauber. Schließlich schaltete sie das Handy wieder an, und sofort vibrierte es leicht in ihrer Hand. Sie hatte eine neue SMS bekommen. Liv erkannte die Nummer nicht.
Sie öffnete die SMS, und ein Schauder lief ihr über den Rücken.
VERTRAUEN SIE DER POLIZEI NICHT.
Auch ohne Großbuchstaben wäre das eindringlich genug gewesen.
RUFEN SIE MICH AN, UND ICH WERDE ES IHNEN ERKLÄREN.
Liv dachte an die Warnung, die sie vergangene Nacht vor der Schießerei bekommen hatte.
Liv erstarrte. Sie hörte das Wasser in der Dusche tropfen, das Platschen des Schwimmers im Pool und das Summen der Klimaanlage über ihrem Kopf, aber sonst nichts. Keine sich nähernden Schritte. Keine gedämpfte Unterhaltung im Gang. Dennoch hatte sie plötzlich das Gefühl, als sei jemand mit ihr im Raum und lausche auf jede ihrer Bewegungen.
Liv steckte das Handy in die Tasche und zog sich weiße Tennissocken an.
Ich denke, es ist besser, Sie bleiben unter unserem Schutz ...
Das hatte Arkadian gesagt, bevor er sie dem Subinspektor überlassen hatte.
Polizeischutz ... ihrem Bruder hatte das noch nicht einmal im Tod etwas genutzt.
Liv schlüpfte in ihre Turnschuhe, band sie zu und streifte ein dunkelblaues Sweatshirt mit Kapuze über, das ihre Figur verdeckte. Auch darauf stand POLIZEI in Großbuchstaben. Liv blickte noch einmal zur Tür, nahm sich die beschmierte Zeitung und ging in die andere Richtung, zum Pool.
Die Luft in der Schwimmhalle war warm und feucht und voller Chlor. Liv ging zum Notausgang. Irgendwie hatte ein Sonnenstrahl den Weg hierher gefunden und spiegelte sich nun auf dem blassblauen Wasser.
Liv drückte den Riegel herunter, und im selben Augenblick heulte eine Sirene auf. Rasch schloss Liv die Tür wieder hinter sich, und der Alarm verstummte genauso schnell, wie er begonnen hatte. Der Schwimmer hatte noch nicht einmal den Blick gehoben. Er war einfach weitergeschwommen.
*
Sully telefonierte gerade mit einem Nachrichtenredakteur. Die Sirene heulte nur ein paar Sekunden, doch das war genug.
»Hören Sie zu«, flüsterte er. »Ich muss Sie später zurückrufen.«
Sully näherte sich dem Eingang zur Frauenumkleidekabine, und seine Sohlen quietschten auf dem blank polierten Vinylfußboden. Frauen – Himmel! Sie war schon eine Ewigkeit da drin. Sully lauschte auf das Geräusch der Dusche, hörte nichts und klopfte vorsichtig an.
»Miss Adamsen?« Er schob die Tür weit genug auf, um den Kopf hindurchzustecken.
Keine Antwort. Dank einer Trennwand konnte Sully auch nicht in den Raum sehen.
»Miss Adamsen?«, rief er noch einmal ein wenig lauter. »Sind Sie okay?«
Noch immer nichts.
Sully trat vor und spähte um die Trennwand herum. Abgesehen von einem Stapel schmutziger Kleider und einem feuchten Handtuch war nichts zu sehen. Sully spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. » Miss Adamsen? «
Er schaute nach links. Auch die vier Toilettentüren standen weit offen.
Sully lief zur Dusche.
Leer.
Sully suchte weiter und fand sich schließlich in der hell erleuchteten Schwimmhalle wieder. Er kniff die Augen zusammen, schaute den Schwimmer an und hoffte, dass es sich bei ihm um Liv
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