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Sand & Blut

Sand & Blut

Titel: Sand & Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xander Morus , Isabell Schmitt-Egner
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voranzukommen. Aber jetzt war Schluss. Links und rechts von mir war nur das saftige Grün wilder Flora und vor mir gähnte eine tiefe Grube. Ich spähte hinein und erkannte, dass es sich um eine trichterförmige Aushebung handelte. Vermutlich aus der Zeit der Kiesförderung. Der Boden war kaum zu erkennen. Matsch und Wasser glitzerten in der Tiefe. Ich musste umkehren. Der Weg war hier zu Ende. Schulterzuckend machte ich kehrt, um zu Tanja zurückzukehren. Da hörte ich ein ungewöhnliches Geräusch. Etwas fiepte wie eine kleine Maus. Ich drehte mich erneut um und sah eine große Ratte am Rand der Grube sitzen. Verblüfft starrte sie mich an. Ich rührte mich nicht. Sie war fett und breit wie ein kleiner Hund und ihr Schwanz zuckte wie ein eigenständiges Lebewesen. Ihre gelben Augen musterten mich neugierig und dann richtete sie sich plötzlich auf und fauchte. Ich war beeindruckt. So ein mutiges Biest hatte ich noch nie gesehen. Ich blickte auf und plötzlich sah ich im Gebüsch weitere Augenpaare leuchten. Ich war buchstäblich auf ein Rattennest gestoßen. Ich schüttelte mich bei dem Gedanken, dass diese Viecher im See herumschwammen und sich hier eingenistet hatten. Beschwichtigend hob ich die Hände.
    »Okay Jungs, lasst euch nicht weiter stören! Leben und leben lassen!«
    Ohne den Blick abzuwenden, machte ich einige Schritte rückwärts, drehte mich dann um und ging schnellen Schrittes zurück zum Strand. Ich vergaß die Ratten und erzählte Tanja auch nichts von meiner Entdeckung. Sie hatte andere Sorgen. Der Tag ihrer Abgabe stand kurz zuvor. Standesgemäß war man dann immer ein bisschen nervös, auch wenn man eigentlich alles im Griff hatte. Der Tag endete schön und wir machten uns wieder an die Arbeit. Ich war hoch motiviert.
    In den nächsten Tagen verkroch ich mich in den abgeschirmten Kabinen der Bibliothek und fing an, Hippels Arbeit fein säuberlich abzutippen. Niemand sah, was ich in meiner Tasche in die Bib transportierte und in meinem Laptop zu einer grandiosen Doktorarbeit zusammenschob. Man registrierte nur meinen plötzlichen Fleiß. Mein Prof warf mir aufmunternde Blicke zu, wenn er mich sah.
    »Sie werden das schon packen!«, sagte er und sah mich hoffnungsvoll an. Ich glaube, er sah in mir schon seinen Nachfolger.
    Aber gerne doch, dachte ich.
    Ich hatte wieder Tritt gefasst und die Tage flogen nur so vorüber. Ich fand heraus, dass Hippel nicht nur ein paar Unterlagen erforscht hatte, sondern seine ganze Sammlung zwar eigenwillig, aber sorgfältig erfasst hatte. Es war ein Kinderspiel. Tatsächlich fing ich an, seine Arbeit Wort für Wort zu übertragen. Sie waren einfach zu gut und ich tröstete mich, dass er sicher nichts dagegen gehabt hätte, wenn jemand nun seine Ergebnisse zu einem schönen Doktortitel führen würde. Doch statt mich in meiner Zukunftssicherheit zu wiegen, setzte ich auch immer wieder ein gestresstes Gesicht auf. Das gehört zum Spiel dazu. Egal, wie gut es einem geht, man gibt immer vor viel zu tun zu haben. Ja, gab ich zu, auch ich hätte es schwer, aber da müsse man nun mal durch. Tanja und meine Kollegen nahmen es mir ab.
    Aber wie es so spielt, war das nichts gegen das, was Tanja jetzt zu spüren bekam. Die ganze akademische Härte zeigte jetzt ihr hässliches Gesicht. Sie gab noch wohlgemut ihre Doktorarbeit ab und damit ging das ganze Theater los. Sie hatte wohl hier und da etwas übersehen. Vermutlich war es nicht mal ihre Schuld. Auch Quellen können fiese Fallen sein, wenn man drauf vertraut, dass die Verlage alles richtig bezeichnen. Ein paar Druckfehler erregten die Aufmerksamkeit der Prüfer. Man warf ihr vor, in ihrer Arbeit unsauber zitiert zu haben. Ich wusste, dass es ein taktisches Manöver war, um die Arbeit nicht sofort durchzuwinken. Man macht so was, um nicht zu viele Doktoranden anzuziehen. Aber sie nahm es zu ernst. Und jetzt ereilte sie das Schicksal, dem ich gerade entgangen war. Sie fiel aus allen Wolken.
    Und nicht nur das. Sie wusste, dass es diesmal um alles ging. Sie musste diese Arbeit perfekt abliefern. Wenn man sich einen gewissen Ruf erarbeitet hat, dann gibt es schon die Möglichkeit, die Dinge zu korrigieren. Im Klartext: Ihre Arbeit ging unter dem Tisch zurück und man gab ihr Zeit, sie zu überarbeiten. Tanja stimmte natürlich zu und damit begannen die Probleme dann wirklich. Panisch stürzte sie sich in die Arbeit.
    Wenn ich am frühen Abend nach meinen entspannten Abtippereien aus der Bib nach Hause kam, saß sie noch

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