Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sand & Blut

Sand & Blut

Titel: Sand & Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xander Morus , Isabell Schmitt-Egner
Vom Netzwerk:
eines Altnazi? Ein toller Karrierestart. Ich beschloss, vielleicht doch die Forschungsjahre in Anspruch zu nehmen, um noch mal völlig neu anzufangen.
    Nach einer Woche ging ich niedergeschlagen in die Bib, um die Arbeit abzugeben.
    Ich war am Boden zerstört und mein nächster Gang sollte mich zum Dekan führen, um meine Forschungszeit zu beantragen. Aber das Archiv war seltsamerweise zu. Wegen Todesfall geschlossen, las ich auf einem kleinen weißen Papier, das jemand wohl in Eile an der Tür angebracht hatte. Meine alte Archivarin war vor zwei Tagen verstorben. Ich stand eine Weile unschlüssig vor der Tür und grübelte vor mich hin. Sie hatte die Arbeit aus einem alten, muffigen Holzschrank gezogen. Vermutlich einer der Mitarbeiterschränke. Vielleicht sogar ihrer. Konnte es sein, dass nur sie von der Existenz der Papiere gewusst hatte? Wem sollte ich die Arbeit denn jetzt zurückgeben, fragte ich mich, schon wissend, dass ich die Antwort kannte.
    Ich ließ die Papiere von Hippel wieder in meiner Tasche verschwinden.
    Ich ging zu meinem Prof und kündigte an, dass ich den Termin einhalten würde.
    Als Tanja wiederkam, ging ich mir ihr baden. Diesmal hatte ich kein schlechtes Gewissen. Ich hatte einen Plan.
     

2. Eng ist die Welt, und das Gehirn ist weit
    Es folgten einige äußerst entspannte Tage an Bambergs schönstem und größtem Baggersee. Der See wurde Sandgrube genannt, weil hier Ton und Kies bis in die Fünfziger Jahre gefördert wurden. In den letzten Jahren hatte sich der See zu einem inoffiziellen In-Treffpunkt der Hochschulszene gemausert und mitten in den Semesterferien konnte man Dozenten, Studenten und Uni-Mitarbeiter in feinster Eintracht dort liegen sehen.
    Berühmt war er für seinen feinen Sandstrand, der die Karibik wie eine Matschgrube aussehen ließ. Das behaupteten zumindest die Bamberger. Weiße, weiche Berge türmten sich über einem drei Fußballfelder großen Bereich auf. Ansonsten war der See von Wald und Schilf nahezu komplett eingeschlossen. Der Wald wucherte bis tief hinein in die kleinen Buchten und es war unmöglich, den See zu umrunden. Man konnte sich zwar durch kleine Wege in die Büsche schlagen, aber irgendwann war immer Schluss.
    Ich versuchte, auf andere Gedanken zu kommen und mich ein bisschen zu entspannen. Tanja war mit ihrer Arbeit fertig, lag wie ein ausgelaugter Reifen in der Sonne und sagte nichts. Ich versuchte, sie einige Male zu überzeugen, mit mir den See zu erkunden, aber sie ließ sich zu nichts bewegen. Die Arbeit hatte sie geschafft. Während ich die Sonne genoss, lag sie nur platt auf dem weichen Sandstrand und blinzelte mich nur ab und zu fragend an.
    »Wie sieht es denn nun mit deiner Arbeit aus?«, fragte sie leicht verwundert, als ich meine Füßen in den braunen Schlick stieß und ihn verspielt umgrub.
    »Ich denke, ich bekomme das hin!«, sagte ich und versuchte, so locker wie nur möglich zu klingen. Natürlich wusste ich, dass ich die Arbeit innerhalb weniger Wochen fertigstellen konnte. Hippel sei Dank.
    Ich schaute über den weißen Strand und dachte daran, dass es auch kein Betrug im herkömmlichen Sinn war. Durch mich würden Hippels Ergebnisse doch noch zu ihrem Recht kommen. Und wer sollte jemals herausfinden, dass ich mich bei Hippel bedient hatte?
    Nur die Archivarin wusste, dass ich seine Unterlagen hatte. Und die war tot.
    Ich nahm es als eine Fügung des Schicksals an. Der Sommer fühlte sich gut an. Ich sprang auf und wollte sie dazu bringen, mit mir das dichte Seeufer zu erkunden, aber sie ließ sich zu nichts bewegen. Sie hing wie einer besiegter Boxer in den Seilen. Ich ging allein, und zum Glück sah sie nicht das breite Grinsen, das sich auf meinem Gesicht festsetzte. Ich würde in einigen Monaten ein frisch gebackener Doktor sein. Genauso wie sie. Vergnügt streunte ich durch das Gebüsch und verlor mich irgendwann in einem dieser dünnen, dunklen Trampelpfade, die einem immer ein bisschen wie der Weg zu einer geheimen Höhle vorkommen. Während ich den Pfad entlangspazierte, malte ich mir schon aus, wie ich meine Arbeit in ein Buch umschreiben konnte, dass mir noch mehr Popularität verschaffen würde. Vorträge, Lesereisen, Autogrammstunden. Vielleicht konnte ich sogar etwas über Hippel schreiben. Ich nahm mir vor, seine Geschichte genauer unter die Lupe zu nehmen.
    Plötzlich stand ich vor einem schwarzen Loch. Der Trampelpfad hatte sich unmerklich so verkleinert, dass ich die Füße voreinander setzen musste, um

Weitere Kostenlose Bücher