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Sand & Blut

Sand & Blut

Titel: Sand & Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xander Morus , Isabell Schmitt-Egner
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aus. Tanja glich einem Gespenst. Das Ritalin hatte sie ausgezehrt und hohläugig gemacht. Ihre Haut war mit einem schimmernden Film überzogen. Ihre Lippen bestanden nur noch aus Krusten, die sie seelenruhig abpulte.
    Ich beschloss, dass es genug war. Kein Ritalin mehr. Sie war einverstanden. Um sicherzugehen, sagte ich ihr, dass ich die Pillen an einem sicheren Ort aufbewahren würde. Sie nickte nur. Sie war so müde, dass sie wieder ins Bett kroch, aber ich merkte, dass sie einen glücklichen Blick auf die auf dem Küchentisch liegende Arbeit warf. Bevor sie wieder in ihr kleines Koma fiel, nahm sie noch meine Arbeit und las sie in einem Rutsch durch. Sie war begeistert.
    »Das hast du wirklich toll gemacht«, sagte sie heiser. In ihrer dünnen Stimme schwangen Stolz und Bewunderung mit. »Und das ganz ohne Ritalin.«
    Ich nickte stumm. Hippel war mein Ritalin.
    Ich beschloss, ein Bier trinken zu gehen und mich zu freuen, dass wir alles überstanden hatten. Die restlichen Pillen nahm ich mit. Draußen zögerte ich keinen Moment, als ich sie in den Müll warf. Wir hatten das hinter uns. Dachte ich.
     

 
    3. Es ist der Geist, der sich den Körper baut
     
     
    Als ich nach einer Stunde zurückkam, war in der Wohnung das Chaos ausgebrochen. In der Küche lag ihre Doktorarbeit aufgeschlagen und einige Seiten waren herausgerissen und markiert. Eine Arbeitspanik-Attacke. Typisch für Doktoranden in den letzten Zügen. Man denkt, man müsste noch einmal über alles rübergehen und schmeißt dann alles um. Und vielleicht hatte meine gute Arbeit sie dazu erst animiert.
    Aber ich sah Tanja nicht, stattdessen hatte sie alle Schubladen und Schränke aufgerissen und ihren Inhalt über den Boden verteilt. Ich konnte nur vermuten, dass sie das Ritalin suchte. Ich folgte der Spur der Verwüstung und betrat mit einem unguten Gefühl mein Arbeitszimmer. Der Schlag traf mich, als ich sah, dass sie auch meinen Schreibtisch komplett auf den Kopf gestellt hatte. Meine unterste Schublade stand weit auf und war leer. Es war still in meinem Zimmer und ich hörte nur das Blättern.
    Als ich mich umdrehte, sah ich Tanja an der Wand kauern und Hippels Manuskript lesen. Sie schaute langsam auf. Ihre Haare hingen ihr wirr ins Gesicht. Den Ausdruck in ihren Augen werde ich nie vergessen. Sie wusste Bescheid.
    Instinktiv wollte ich zuerst zum Mülleimer rennen, um das Ritalin zu holen. Ich musste sie irgendwie ablenken. Aber ihr Blick verriet mir, dass es bereits zu spät war. Sie presste nur die Lippen aufeinander und starrte mich an. Blut ihrer Lippen tropfte auf Hippels Blätter.
    Es folgten nächtelange Diskussionen. Ob ich wüsste, was ich da tat? Das sei Betrug, und zwar vorsätzlicher, wenn das rauskäme, sei meine ganze Karriere im Arsch.
    Und natürlich schlug ihre ganze Verbitterung durch. Sie hatte sich die Nächte um die Ohren geschlagen, war fast medikamentenabhängig geworden und hatte ihre Gesundheit ruiniert, während ich bloß ein paar Seiten abgeschrieben hatte.
    Sie konnte sich nicht beruhigen. Am schlimmsten war, dass sie eindeutig ablehnte, was ich gemacht hatte. Und ich konnte es ihr nicht verdenken.
    Sie hatte sich abgequält, hatte die Demütigung eingesteckt und trotzdem weitergemacht, während ich auf das alles pfiff. Es kam, wie es kommen musste. Sie verlangte von mir, dass ich die Doktorarbeit wegschmiss und neu anfing. Sie sagte, es sei zu meinem Besten.
    Es hatte keinen Sinn, mit ihr zu diskutieren. Ich schlug vor, dass wir uns ein paar Tage freinahmen, um die Sache in Ruhe zu besprechen. Widerstrebend willigte sie schließlich ein.
    Das Wetter wurde wieder besser und wir fuhren am nächsten Tag zur Sandgrube. Auf dem Weg sprachen wir nur über Belangloses. Ich versuchte, sie aufzuheitern, aber ich merkte, dass ihre Gedanken nur um Eines kreisten. Wir erreichten schweigend den See. Der Sand schimmerte noch immer wie weißer Samt, obwohl hier und da einige braune Flecken den Anblick trübten. Erster Dreck hatte sich inzwischen breit gemacht. Das war jeden Sommer so. Trotzdem ließen wir uns in den Sand fallen und hingen unseren Gedanken nach. Wir lagen eine Weile so nebeneinander da. Tanja sagte nichts.
    »Es ist doch nur eine Doktorarbeit!«, sagte ich. Aber sie kaute verbissen auf ihrer Lippe rum.
    Dann schaute sie mich plötzlich entschlossen an. Man merkte, dass sie es ernst meinte.
    »Hör mal, Theo, entweder, du schmeißt das Ding weg und fängst neu an oder ich werde dich melden!« Trotzig hielt sie meinem

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