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Sandkönige - Geschichten

Sandkönige - Geschichten

Titel: Sandkönige - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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erwiderte sie. »Shade bedient keine Kunden, und wir haben auch keine Verkäuferinnen.«
»Sie haben wirklich einen großen Laden«, sagte Kress. »Es ist merkwürdig, daß ich vorher noch nie etwas von Ihnen gehört habe.«
»Wir haben diesen Laden auf Baldur gerade erst geöffnet«, antwortete die Frau. »Wir haben Konzessionen auf einer Vielzahl anderer Welten. Was kann ich Ihnen anbieten? Kunst vielleicht? Sie sind bestimmt Sammler. Wir haben ein paar schöne Kristallplastiken von Nor T'alush.«
»Nein«, entgegnete Kress. »Ich besitze schon alle Kristallplastiken, die ich haben wollte. Ich interessiere mich für ein kleines Haustier.«
»Ein Lebewesen?«
»Ja.«
»Ein Fremdwesen?«
»Sicher.«
»Wir haben einen Nachahmer auf Lager. Von Celias Welt. Ein schlauer kleiner Simian. Er wird nicht nur sprechen lernen, sondern eventuell auch Ihre Stimme, Modulation, Gestik und sogar Gesichtsausdrücke nachahmen.«
»Nett«, sagte Kress, »aber gewöhnlich. Für solche Sachen habe ich keine Verwendung, Wo. Ich will etwas Exotisches. Ungewöhnliches. Und nichts Nettes. Ich verabscheue nette Tiere. Im Augenblick besitze ich einen Shambler, extra von Cotho importiert, und ich habe dabei keine Kosten gescheut. Von Zeit zu Zeit füttere ich ihn mit einem Wurf Kätzchen. Das meine ich, wenn ich an nett denke. Habe ich mich verständlich machen können?«
    Wo lächelte rätselhaft. »Haben Sie jemals ein Tier  besessen, das Sie verehrt hat?« fragte sie.
    Kress grinste. »Oh, ab und zu. Aber ich verlange keine Verehrung, Wo. Nur Unterhaltung.«
»Sie haben mich mißverstanden«, antwortete Wo, wobei sie ihr merkwürdiges Lächeln beibehielt. »Ich meinte, Verehrung im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Wovon sprechen Sie?«
»Ich glaube, ich habe genau das richtige für Sie«, sagte Wo. »Folgen Sie mir, bitte!«
    Sie führte ihn zwischen den erleuchteten Vitrinen hindurch und einen langen, nebelverhüllten, von falschem Sternenlicht erhellten Flur hinab. Sie traten durch eine Nebelwand in einen anderen Teil des Ladens und hielten dann vor einem riesigen Plastikbassin. Ein Aquarium, dachte Kress.
    Wo winkte ihn heran. Er trat näher und mußte seine Meinung revidieren. Es war ein Terrarium. Darin befand sich, im Durchmesser von zwei Metern, eine Wüste en miniature. Blasser Sand färbte sich unter einem schwachen rötlichen Licht dunkelrot. Felsen: Basalt, Quarz und Granit. In jeder Ecke des Beckens befand sich eine Burg.
    Kress blinzelte, starrte hin und korrigierte sich; in Wirklichkeit befanden sich hier nur drei Burgen. Die vierte war eine zerbröckelte, verfallene, baufällige Ruine. Die drei anderen waren intakt, aus Sand und Stein erbaut. Über Zinnen und runde Säulengänge kletterten und krabbelten winzige Kreaturen. Kress drückte seine Nase gegen das Plastik. »Insekten?« fragte er.
    »Nein«, erwiderte Wo. »Eine weit komplexere Lebensform. Viel intelligenter. Um ein beträchtliches gerissener als Ihr Shambler. Sie werden Sandkönige genannt.«
»Insekten«, sagte Kress und wich von dem Bassin zurück. »Es ist mir egal, wie komplex sie sind.« Er zuckte die Achseln. »Und versuchen Sie mich bitte nicht mit dem Geschwätz von Intelligenz übers Ohr zu hauen. Diese Lebewesen sind wirklich zu klein, um mehr zu haben als die nötigsten Nervenstränge.«
»Sie teilen sich in ein Wabengehirn«, sagte Wo. »Ein Burggehirn in diesem Fall. Es sind nur noch drei Organismen in dem Bassin. Der vierte starb. Sie sehen, seine Burg ist zerstört.«
    Kress blickte wieder in das Bassin. »Wabengehirn, hm? Interessant.« Doch er zuckte erneut die Achseln. »Dennoch ist es nichts als eine Art höher entwickelter Ameisenhaufen. Ich dachte, Sie hätten etwas Besseres.«
»Sie fechten Kriege aus.«
»Kriege? Hmmm.« Kress blickte nochmals hin.
    »Beachten Sie die Farben, wenn Sie so nett sein wollen«, sagte Wo. Sie deutete auf die Kreaturen, die über die nächststehende Burg krochen. Eine krabbelte an der Bassinwand. Kress beobachtete sie. In seinen Augen sah es immer noch wie ein Insekt aus. Nackt, so lang wie ein Fingernagel, sechsgliedrig und mit sechs winzigen Augen, die rings um den Körper herumsaßen. Ein bösartig aussehendes Paar Zangen klickte sichtbar, während zwei längere, feine Fühler Muster in die Luft webten. Fühler, Zangen, Augen und Beine waren rußig schwarz, aber die dominierende Farbe war das brennende Orange der Panzerung. »Es ist ein Insekt«, wiederholte Kress.
    »Es ist kein Insekt«, beharrte Wo sanft.

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